Ob im oder vor dem Parlament - das Thema war dasselbe: Studiengebühren. Während vor dem Parlament zehntausende StudentInnen gegen die Einführung eines Pflichtbeitrags in der Höhe von 5.000 Schilling pro Semester demonstrierten, präsentierten Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer im Pressefoyer nach dem Ministerrat erste "Abfederungspläne".
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Studiengebühren kommen nicht überfallsartig, betonte Schüssel abermals. "Erst ab dem Wintersemester 2001 sollen moderate Beiträge eingeführt werden." Dafür gebe es bis zu 1,9 Milliarden Schilling für soziale Stipendien; eine Universitäts-Milliarde sei ebenfalls beschlossen.
Mit einem Gerücht wollte Schüssel gleich aufräumen. Die Behauptung, die Regierung plane Beiträge für Höhere Schulen einzuführen, sei unrichtig. Dies stehe weder zur Diskussion noch werde es kommen.
Auf die Erweiterung der Stipendien oder die Erhöhung der Zuverdienstgrenze verwies auch Riess-Passer, die den Vorwurf nicht gelten lässt, die Regierung habe bei der Einführung der Studiengebühren nicht nach dem Gebot der sozialen Treffsicherheit gehandelt. Sie spielte den Ball an die Rektoren und Universitätsprofessoren, für deren Teilnahme an den Protesten sie kein Verständnis zeigte. Denn diese hätten selbst die Möglichkeit gehabt, in vielen Bereichen Reformmaßnahmen zu setzen. Die "Art und Weise, wie hier agitiert wird" sei für Riess-Passer keine Grundlage für eine sachliche Diskussion.
Auch Bildungsministerin Elisabeth Gehrer übte in diesem Zusammenhang Kritik. "Ich halte es nicht für richtig, dass Lehrer, Universitäts-Professoren und Rektoren mitgehen", erklärte sie nach dem Ministerrat. Immerhin handle es sich dabei um Dienstgeber mit Managementfunktionen.
40.000 versammelten sich vor dem Bundeskanzleramt
Währenddessen hatten sich vor dem Parlament, Angaben der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) zufolge, 40.000 StudentInnen und SchülerInnen versammelt. Die Polizei sprach von 20.000. In Sternmärschen waren die StudentInnen von den einzelnen Universitäten zum Parlament marschiert, an der Schlusskundgebung vor dem Bundeskanzleramt nahmen rund 40.000 Menschen teil. Als Redner protestierten ÖH-Bundesvorsitzender Martin Faißt, Kabarettist Alfred Dorfer und der Vorsitzende der Bundeskonferenz des künstlerischen und wissenschaftlichen Personals an den Unis, Reinhard Folk, gegen die von der Regierung geplanten Maßnahmen.
Zeitgleich mit den Demonstrationen hat die ÖH ein "Bildungsbegehren" gestartet, das sich an StudentInnen, Schüler-Innen und Eltern richtet. Damit solle eine breite Plattform für die Reform des österreichischen Bildungswesens geschaffen werden. Bei einem Zusammentreffen im Bildungsministerium überreichte Faißt Gehrer 8.000 Unterschriften - mit der Ankündigung, weitere würden folgen. Gehrer äußerte Verständnis, dass "junge Menschen ihren Unmut kund machen". Doch nun gelte es, die Universitäten zu reformieren, "dies aber gemeinsam".
Auch in anderen Bundesländern gingen HochschülerInnen auf die Straße. In Linz machten am Vormittag rund 1.500 SchülerInnen den "Auftakt" zu den Studenten-Demonstrationen, die am Nachmittag ihren Höhepunkt erreichten. In Vorarlberg kam es ebenfalls zu Protestmärschen: Einige Tausend SchülerInnen nahmen an dem vom "Aktionskomitee für Bildung" in Feldkirch organisierten Demonstrationszug teil.
Einige nützten bereits am Vormittag die Landtagssitzung in Bregenz für einen Protestauftritt: Während der offiziellen Verabschiedung der Schul-Landesrätin Eva Maria Waibel (V) entrollten sie auf der voll besetzten Zusehergalerie ein Transparent "1.000e fordern heute freien Zugang zur Bildung" und skandierten Parolen wie "Wissen ist macht". Landtagspräsident Manfred Dörler (V) erinnerte an das Demonstrationsverbot im Landtag.
In Innsbruck hatten sich rund 2.500 SchülerInnen und StudentInnen vor der geisteswissenschaftlichen Fakultät in Innsbruck versammelt, um gegen die Studiengebühren zu demonstrieren. Unterstützt wurden sie auch von dem Rektor der Innsbrucker Universität, Hans Moser, der sich mit den Studenten solidarisch erklärte. In Salzburg protestierten rund 2.000 StudentInnen vor dem Schloss Mirabell. An der Kundgebung am Alten Markt nahmen rund 3.500 teil.
In Eisenstadt marschierten rund 500 junge Menschen durch die Straßen; den Anfang der steirischen Demonstrationen machten rund 300 Studierende der Montanuniversität Leoben, die sich am Leobener Hauptplatz einfanden.
In Klagenfurt war neben der Bundesregierung der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (F) Hauptziel der Proteste von rund 500 HochschülerInnen. Sie warfen ihm vor, auf Seiten jener zu stehen, welche die Studenten "als Sozialschmarotzer und als eine Belastung für den Staat" sehen würden.
Unterstützung von Rektoren und Oppositionsparteien
Die obersten RepräsentantInnen der Universität Wien schlossen sich der Kritik der Studierenden an. Nach Ansicht von Rektor Georg Winckler, Senatsvorsitzendem Jörg Hoyer und der Vorsitzenden der Hochschülerschaft an der Uni Wien, Angelika Obermayr, habe die Regierung mit der Einführung von Studiengebühren ein "Glaubwürdigkeitsproblem geschaffen", da es noch vor wenigen Wochen hieß, die Absolvierung des Grundstudiums bliebe beitragsfrei. Auch in anderen Städten erklärten sich Rektoren mit den Protestierenden solidarisch.
SPÖ und Grüne übten neuerlich Kritik an den Studiengebühren. Der Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen bezeichnete diese als "inakzeptable und kontraproduktive Bildungssteuer". Angesichts tausender DemonstrantInnen sehe er jedoch durchaus Chancen, die Gebühren kippen zu können.
SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer hat den Studierenden in einer Aussendung seine "volle Unterstützung" ausgesprochen. Die SPÖ wolle das Thema Studiengebühren heute, Donnerstag, in der Sondersitzung des Nationalrats ins Gespräch bringen. Ihre Kritik an den Gebühren wiederholten gestern auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), Hans Sallmutter, sowie Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tumpel.
Industriellenvereinigung für Einführung der Gebühren
Die Industriellenvereinigung hingegen begrüßt die Einführung der Studiengebühren. Diese könnten aber "nur Teil einer umfassenden und strukturellen Universitätsreform sein", erklärte Generalsekretär Lorenz Fritz in einer Aussendung. In der Entscheidung der Regierung sieht die Industriellenvereinigung jedenfalls einen "richtungsweisenden Schritt, sich höhere Qualität und Effizienz in der universitären Bildung zu überlegen".
Für den Obmann der Wiener Freiheitlichen, Hilmar Kabas, wiederum sind die 5.000 Schilling pro Semester "geradezu vernachlässigenswert" im Vergleich mit den Kosten für Kindergartenbetreuung. Dafür müssten Eltern immerhin 3.600 S im Monat bezahlen.