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Zeit der Narzissen, Zeit des Zuhörens

Von Martyna Czarnowska

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Der internationale Tag der Roma jährt sich zum 40. Mal. Doch um die Situation der Volksgruppe zu verbessern, sind mehr als Feierstunden nötig.


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Es ist, als ob jemand jeden Frühling nachschauen würde, ob die Narzissen blühen. Jedes Jahr werden Vertreter der in Österreich lebenden Volksgruppen ins Bundeskanzleramt eingeladen. Jedes Jahr werden sie gefragt, wie es ihnen so geht. Die Berichte werden dann mitgeschrieben.

Immerhin, meint Rudolf Sarközi, wird den Leuten mittlerweile zugehört. Ihre Anliegen werden wahrgenommen. Sarközi ist Obmann des Kulturvereins österreichischer Roma sowie Vorsitzender des Volksgruppenbeirats der Roma. Von ihm stammt der Narzissen-Vergleich - und er hat seinen Beitrag dazu geleistet, dass den Leuten mittlerweile zugehört wird. Es hat sich auch sonst einiges getan für die Roma und Sinti seit der Nachkriegszeit, als diejenigen, die die Konzentrationslager überlebt hatten, darum kämpfen mussten, einen Tag nach dem anderem zu überstehen. Roma-Kinder werden nicht mehr in Sonderschulen gesteckt, ihre Eltern müssen sich nicht mehr nur mit Hilfsarbeiter-Jobs zufriedengeben. Die rund 10.000 Roma und Sinti in Österreich sind als Volksgruppe anerkannt.

Es sind auch die Erfolge, auf die Rudolf Sarközi gerne verweist, und das nicht nur am internationalen Tag der Roma, der sich am heutigen Freitag zum 40. Mal jährt. "Ich habe unseren Leuten immer gesagt, sie sollen nicht nur von dem sprechen, was fehlt, sondern auch von dem, was wir geschafft haben", erklärt er. Denn die, die etwas erreicht haben, haben nicht nur einen Schritt zur Besserstellung in der Gesellschaft gesetzt, sondern sind auch ein Multiplikator innerhalb der Volksgruppe.

In Österreich, erzählt Sarközi, seien ebenso die eingewanderten Roma recht gut integriert. Viele von ihnen seien aus den Balkanländern bereits in den 1960er Jahren als Gastarbeiter hierher gekommen, ihre Kinder und Enkelkinder sind in Österreich aufgewachsen. Doch diejenigen, die nun aus den jüngeren EU-Staaten in den Westen ziehen, werden scheel angesehen. Oft sind sie als Diebe oder Bettler verschrieen. "Doch Betteln kann man nur bekämpfen, indem man die Armut bekämpft", findet Sarközi.

Die Situation der Roma und Sinti, der mit bis zu zwölf Millionen Menschen größten ethnischen Minderheit Europas, ist in etlichen EU-Staaten von Armut und gesellschaftlicher Vernachlässigung geprägt. In der Slowakei etwa ist die Arbeitslosenrate unter den Roma-Angehörigen rund fünf Mal so hoch wie unter anderen Slowaken. EU-weit beendet nicht einmal jedes zweite Roma-Kind eine Grundschule. Bildung und Jobs sind denn auch die wichtigsten Instrumente, um den Menschen zu helfen. Die Europäische Kommission drängt nun die Länder dazu, nationale Aktionspläne zur Integration der Roma zu erarbeiten.

Das manchmal gehörte Gegenargument, dass die Roma selbst sich gar nicht integrieren wollen, ist für Rudolf Sarközi die "billigste Ausrede". Stattdessen fragt er: "Wie sollen Menschen wieder Vertrauen in eine Gesellschaft bekommen, aus der sie immer ausgeschlossen wurden?" Es gehe darum, den Roma Chancen und Möglichkeiten zu geben, die andere auch haben. Von Chancengleichheit spricht auch die EU-Kommission; sie ruft die Länder dazu auf. Diese wiederum meinen, dass die Probleme der Roma eine gesamteuropäische Angelegenheit und mit EU-Hilfe - sowie EU-Geld - zu lösen seien.

Wer recht habe? Beide Seiten, sagt Sarközi. Die Länder kennen die jeweiligen Probleme ihrer Bürger besser. Aber an allen zusammen liege es, "ein Europa zu schaffen, in dem jeder einen Platz findet".