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IHS-Schuh gegen "Kultur der Frühpensionierung". | Investitionen ins Bildungssystem nötig. | Wien. Die Fronten in Sachen Pensionen sind festgefahren. Während die Regierung, wie berichtet, weiter auf den engen Spielraum im Budget verweist, beharrt der Seniorenrat auf einer Erhöhung um 1,9 Prozent.
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Doch ist das Pensionssystem, wie es derzeit besteht, überhaupt haltbar? "Prinzipiell ja", sagt Ulrich Schuh, Pensionsexperte vom Institut für Höhere Studien (IHS). Dazu müsse aber die Pensionsharmonisierung aus 2003 - die Angleichung aller Pensionssysteme - auch durchgesetzt werden. Vor allem müsse das tatsächliche Pensionsantrittsalter hinaufgesetzt werden. Schuh spricht in diesem Zusammenhang von einer "Kultur der Frühpensionierung", in Österreich. Immerhin gehen die Männer heute durchschnittlich mit 58,9 Jahren in Pension, die Frauen mit 57,9 Jahren - das gesetzliche Antrittsalter liegt bei 65 beziehungsweise 60 Jahren. Wie ein Blick auf die Statistik zeigt, war das nicht immer so: Anfang der 1970er Jahre lag das durchschnittliche Antrittsalter der Männer bei über 62 (siehe Grafik). Die starke Veränderung erklärt Schuh damit, dass man Ende der 1970er Jahre versucht habe, Ältere in den Ruhestand zu locken, um Arbeitsplätze für die Jungen zu schaffen. Zu diesem Zweck habe man Sonderformen wie die Invaliditätspension geschaffen - und nie zurückgenommen.
Jetzt würde jeder Versuch, dieses System zu reformieren, an dem "Killerargument" scheitern, dass es keine Arbeitsplätze für Ältere gebe. Doch diese Haltung, so Schuh, werde sich ändern müssen: "Die Zeit des Jugendkults ist vorbei", sagt er - und: "Es ist nicht so, dass uns die Arbeitsplätze ausgehen." Auch Argumente, wonach die Älteren in Pension gehen müssten, damit die Jungen überhaupt einen Job bekommen, hält er für falsch. Er macht vielmehr Defizite im Bildungssystem für die steigende Jugendarbeitslosigkeit verantwortlich.
Generationenkonflikt nicht vorhanden
Das sieht auch Alois Guger, seit kurzem selbst pensionierter Pensionsexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, so. "Wir müssen, um unsere Zukunft sicherzustellen, enorm in Kinder und Bildung investieren", sagt er. Wenn es gelingt, die Produktivität zu steigern, könnten auch die Pensionsbeiträge und damit die Pensionen wieder steigen. Einen Generationenkonflikt - das "Profil" sorgte jüngst mit einem Bericht über die "graue Gefahr" für Aufregung - sieht Guger nicht. Denn: "Es fließt sehr viel Geld von alt zu jung." Etwa werde allein an Geldvermögen das Doppelte der gesamten Staatsschuld vererbt. Er sieht eher einen Verteilungskonflikt zwischen Armen und Reichen.
Vor allem müssten Firmen stärker in die Pflicht genommen werden: Derzeit würden viele Unternehmen ihren Mitarbeiterstab über Pensionierungen regulieren, so Guger. Er verweist auf Finnland, wo die Zahl der Invaliditätspensionen um 15 Prozent zurückgegangen sei, weil für jene Firmen, die ihre Mitarbeiter in die Frühpension geschickt haben, die Arbeitgeberbeiträge erhöht wurden. Guger fordert auch in Österreich Anreize für Firmen, die Menschen länger im Arbeitsprozess zu halten.