Die Partei der Arbeit muss einen neuen Weg in der neuen Arbeitswelt finden.
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Wels. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat sich die einstige SPÖ-Hochburg Wels in Oberösterreich ausgesucht, um eine für seine Partei programmatische Rede zu halten. Seit 1945 regierte in Wels die SPÖ, seit November 2015 ist die Stadt allerdings tiefblau: Der Anwalt Andreas Rabl (FPÖ) hat das Amt des Bürgermeisters übernommen. Ob Kern die Kleinstadt, die schon bessere Zeiten gesehen hat, deshalb als Austragungsort seiner politischen Proklamation gewählt hat? Als Zeichen dafür, dass sich einiges ändern wird, ja ändern muss in Österreich, um den Anschluss nicht zu verpassen? Er möchte, sagt Kern, dorthin gehen, wo es den Genossen besonders wehtut: in die einstige rote Festung Wels, die nun von einem Rechtspopulisten übernommen wurde. Die Kern-Rede soll Symbolcharakter haben: Österreich dürfe nicht Wels werden, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nicht in das Kanzleramt auf dem Ballhausplatz einziehen.
Am Mittwoch um 17.30 Uhr wird Kern, der am 17. Mai 2016 Werner Faymann als Bundeskanzler abgelöst hat, in der Messehalle 21 also erklären, wie er die Dinge neu ordnen will in diesem Land. "Worauf warten? Zeit, die Dinge neu zu ordnen" lautet der Arbeitstitel der Rede an die Nation. Programmatische Ansagen hat es zuletzt von Alfred Gusenbauer ("solidarische Hochleistungsgesellschaft") gegeben. Der diese verbunden hat mit der Etablierung der bedarfsorientierten Mindestsicherung. Letzteres wurde umgesetzt, eine Hochleistungsgesellschaft kann mit freiem Auge nicht ausgemacht werden.
Zu erwarten ist, dass der Bundeskanzler seinen Weg präzisieren wird: Wie können Arbeitsplätze geschaffen werden? Was ist zu tun, um das Steuersystem gerechter zu machen - nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für Kleinbetriebe? Wie kann der geschaffene Wohlstand erhalten werden? Wo kann der Sozialstaat entschlackt, wo muss er erweitert werden? Wie geht es weiter bei der Bildungsreform, was passiert mit den Universitäten, die schon exzellentere Zeiten gesehen haben? Und möglicherweise wird auch ein Status quo der Sozialdemokratie aufgerissen und aufgezeigt, wohin - entlang der Zielvorgaben - die Reise der großen alten Sozialdemokratie gehen wird.
Die SPÖ muss Wähler zurückgewinnen
Die Skepsis Kerns zum Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada oder zum TTIP-Abkommen mit den USA drückt die Sorge vieler Globalisierungsverlierer und Globalisierungsskeptiker aus. Diese will die SPÖ wieder zurück ins Boot holen. Aber alleine mit Slogans von einer Steuergerechtigkeit in der EU wird es da nicht getan sein. Die völlig neue Arbeitswelt stellt die Partei der Arbeit vor schier unüberwindliche Herausforderungen. Kern, dessen Beliebtheitswerte noch immer weit über jenen seiner Partei liegen, wird konkrete Pflöcke einschlagen müssen, wie er den von ihm ausgerufenen "New Deal" verwirklichen will.
Und dann kommt es noch auf den Koalitionspartner an. Die ÖVP fand sich ihrerseits bereits am Dienstag Abend zu einem Regierungsteam-Treffen und zu einer zweitägigen Klubklausur am Pöllauberg in der Steiermark ein. Sowohl Kern als auch ÖVP-Obmann Vizekanzler Reinhold Mitterlehner können - so jedenfalls interpretieren die meisten Politikwissenschafter die derzeitigen Voraussetzungen - kein Interesse an einer vorgezogenen Nationalratswahl haben. Die SPÖ ist bereits auf Platz eins, die ÖVP hat derzeit nichts zu gewinnen. Wenn aber beide im Wahljahr 2018 noch einmal eine Chance haben wollen, das Land zu regieren, müssen sie - trotz gegensätzlicher ideologischer Ausrichtung - wirkungsvolle Reformen auf den Boden bringen. Ein überarbeitetes Regierungsprogramm soll bis zum Beginn der Semesterferien vorgelegt werden. Koordinieren werden dies Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) und Wirtschaftsstaatssekretär Harald Mahrer (ÖVP), gaben die beiden am Dienstag nach dem Ministerrat bekannt.
SPÖ und ÖVP in Zielgerade bei Arbeitszeitflexibilisierung
Einigen will man sich bis dahin auch bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit. Dass das bisher noch nicht gelungen ist, schoben beide vor allem auf die Sozialpartner. Drozda sprach vom bisherigen "Austausch sattsam bekannter Positionen", nun werde es mehr geben. "Es ist nicht an uns gescheitert", betonte auch Mahrer. Die Sozialpartner seien federführend in der Ziehung.
Vor dem Ministerrat hatte Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) positiv auf den Wunsch der ÖVP reagiert, in Arbeitsmarktfragen aktiv werden zu wollen. Bei der Frage der Flexibilisierung gebe es viele Modelle, die man diskutieren werde. Klar sei: "Überstunden sind Überstunden, und die müssen bezahlt werden." Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), der auch Vorsitzender des Niederösterreichischen ÖAAB ist, pochte auf Entscheidungen vor Ort, also in den Betrieben. Aber auch er betonte, dass es für Mehrleistungen eine entsprechende Abgeltung geben müsse. Sobotka verwies hier aber auf bekannte ÖVP-Modelle wie das Zeitwertkonto.
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (ÖVP) begrüßte das Vorhaben. Es brauche mehr Spielräume in der Arbeitswelt, als sie das derzeitige Arbeitszeitgesetz biete. Der Wirtschaft gehe es nicht um längere Arbeitszeiten, sondern um eine flexiblere Verteilung der Arbeitszeit in längeren Zeiträumen. Auch die Grünen zeigten sich davon überzeugt, dass es aus ökonomischen und politischen Gründen dringend und notwendig ist, die Arbeitszeit neu zu verteilen. Sie plädieren für eine Arbeitszeitverkürzung.
Puls 4 zeigt die Rede von Bundeskanzler Christian Kern im TV live ab 17.30 Uhr und im puls4.com Livestream