Brüssel kann die Region entweder richtig integrieren oder dabei zusehen, wie externe Mächte dort ihr eigenes Süppchen kochen.
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Ein bisschen fühlt man sich am Westbalkan wie in Samuel Becketts "Warten auf Godot". Wie die Protagonisten warten auch die Menschen in Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien seit zwei Jahrzehnten auf etwas, das womöglich nie eintreten wird: den EU-Beitritt.
Beim mittlerweile dritten EU-Westbalkan-Gipfel am Mittwoch in Slowenien wurde diese wenig erfreuliche Aussicht noch einmal bestätigt. Anstatt eines konkreten Zeitplans für den EU-Beitritt wurde die "europäische Perspektive" der Region sehr vage gehalten und ein neues EU-Wirtschaftspaket angekündigt. Mit 9 Milliarden Euro sollen die Volkswirtschaften der Region grüner und digitaler gemacht und die Verkehrsverbindungen ausgebaut werden. Das wolkige Versprechen, so zusätzliche private Direktinvestitionen in Milliardenhöhe anzuziehen und einen Aufschwung auszulösen, ist purer Zweckoptimismus.
Das zeigen die Erfahrungen der Vergangenheit sehr klar. In einer Studie mit der Bertelsmann Stiftung haben wir uns detailliert angesehen, was die bisherige EU-Strategie der regionalen wirtschaftlichen Integration diesen Ländern ökonomisch gebracht hat. Eindeutiges Fazit: wenig bis gar nichts. Die Kluft zu den neuen EU-Mitgliedern in Ost- und Südosteuropa hat sich sogar vergrößert. Das ist besorgniserregend, schließlich sollten arme Länder grundsätzlich viel schneller wachsen als wohlhabendere. So liegt das BIP pro Kopf am Westbalkan bei nur 20 bis 40 Prozent des österreichischen Niveaus und damit auch weit unter jenem der meisten neuen EU-Mitglieder. Zusammengenommen kommen die sechs Westbalkanländer mit rund 18 Millionen Einwohnern auf dieselbe Wirtschaftsleistung wie die kleine Slowakei mit 5,5 Millionen Einwohnern. Der Ansatz "Wandel durch Handel" ist hier definitiv gescheitert. Kein Wunder, aus sechs armen Ländern kann keine wohlhabende Region werden, auch wenn die Wirtschaftsbeziehungen noch so sehr intensiviert werden.
Diese Einsicht sollte auch in der EU endlich um sich greifen. Ein Ausweg aus der ökonomischen Stagnation bietet sich für Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien letztlich nur über mehr Integration in den EU-Binnenmarkt und viel mehr Zugang zum EU-Budget. Angesichts ihres geringen Entwicklungsstandes fielen Transferzahlungen für die EU-Nettozahler kaum ins Gewicht. Kombiniert mit direkter Hilfe für die industrielle Entwicklung in der Region, strikter Konditionalität und einem Monitoring der Verwendung von Transfers aus Brüssel und direkter EU-Vermittlung bei lokalen Konflikten ist dies der realistischste Weg, um den Entwicklungsstand der westlichen Balkanländer nachhaltig zu verbessern und zumindest auf eine EU-Vollmitgliedschaft hinzuarbeiten.
Am Ende des Tages wird sich die EU entscheiden müssen: Sollen die sechs Westbalkanländer fest in Europa verankert werden oder eine Grauzone vor der eigenen Haustür bleiben, in der externe Mächte wie China und Russland ihr eigenes Süppchen kochen?