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Zeit für eine Anamnese

Von Christoph Rella

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Rassismus im Fußball ist eine Krankheit, stand an dieser Stelle in der Vorwoche zu lesen. Wäre nun die Ächtung von Menschen fremdländischer Herkunft das einzige Problem, mit dem der Sport zu kämpfen hat, könnten wir uns glücklich schätzen. Ist es aber nicht. Dafür genügt ein Blick auf die Negativschlagzeilen der vergangenen Tage. Demnach krankt der Fußball nicht bloß an Rassismen, sondern gleich an einer ganzen Palette an Leiden, die so gut wie in allen Bereichen des Organismus Fußball fröhlich metastasieren - ob bei den Fans (Gewaltakte), bei den Spielern (Spielmanipulation) oder bei den Funktionären (Betrug). Alle drei Gruppen sind von dem Virus des Unanständigen befallen.

Die Behandlung erfolgt immer öfter im Gerichtssaal. Im August wurden zwei Rapidler, die einen U19-Spieler der Wiener Austria verprügelt und verletzt hatten, zu je drei Monaten bedingter Haft verurteilt. Drei Jahre, eines davon unbedingt, fasste wiederum der Ex-Kicker und Spielmanipulator Dominique Taboga im Oktober aus. Nicht zu vergessen den früheren Sturm-Graz-Präsidenten Hannes Kartnig. Nachdem ihm ein Gericht in der Vorwoche wegen schweren Betrugs zu vier Jahren und einem Monat Haft verdonnert hatte, kamen nun am Dienstag sieben Monate (nicht rechtskräftig) hinzu.

Was uns das sagt? Dass Fußball nur ein Ring für Machtkämpfe und vor allem ein Geschäft ist? Dass dort diejenigen, die auf der Loserseite des Lebens stehen, gute Bedingungen zur Pflege ihres Egos und ihrer Kassen vorfinden? Vielleicht sollte man, anstatt nur die Symptome mit Gerichtsurteilen zu bekämpfen, in den Organismus hineinhorchen und eine ordentliche Anamnese des Patienten vornehmen. Und die beginnt damit, die richtigen Fragen zu stellen.