Dörfler und Slowenenvertreter Sturm über die Fortschritte. | Warten auf den nächsten Entscheid des VfGH. | Wien. In drei Wochen werde man "ein konkretes Paket präsentieren können", erklärte Marjan Sturm, Obmann des Zentralverbands der Kärntner Slowenen, am Dienstag nach den jüngsten Gesprächen zwischen Bund, Land und Slowenenvertretern über die zweisprachigen Ortstafeln. Auch Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) und Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) waren guter Dinge, dass eine Lösung des seit Jahrzehnten währenden Streits greifbar nahe ist. Aber wieso geht jetzt plötzlich etwas weiter?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Jede Seite hat ihre Position etwas abgeschwächt", erklärt Landeshauptmann Dörfler im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Ihm selbst sei es wichtig gewesen, im vorigen Jubiläumsjahr (90 Jahre Kärntner Volksabstimmung, Anm.) "ein Signal zu setzen". Außerdem habe er in der Bevölkerung die Stimmung gespürt, dass es Zeit für eine Lösung sei.
Auch Slowenenvertreter Sturm glaubt, dass "die Bevölkerung der Diskussion mittlerweile überdrüssig" ist. Aber er glaubt auch, dass sich die Ortstafeln als Wahlkampfthema auch für die Kärntner Freiheitlichen mittlerweile abgenutzt haben. "Sie haben die letzen zehn Jahre damit Wahlen geschlagen, jetzt ist es ausgereizt."
Das sieht Dörfler etwas anders: "Da wird Jörg Haider unrecht getan." Schließlich habe es schon 2006 ein fertiges Modell (das Schüssel-Haider-Papier, Anm.) gegeben, das dann aber von der SPÖ abgelehnt worden sei. Insgesamt habe Haider eine "volksgruppenfreundliche Politik gemacht", sagt Dörfler.
Einig ist er sich mit Sturm darin, dass sich mit Valentin Inzko an der Spitze des Rats der Kärntner Slowenen (statt Karel Smolle und Rodolf Vouk) das Gesprächsklima verbessert hat. "Inzko ist halt ein Diplomat", meint Sturm.
"163 Tafeln plus/minus fünf bis sechs"
Während Dörfler "sehr, sehr optimistisch" ist, gibt sich Sturm vorsichtig. Die Sache sei noch nicht gegessen. Was konkrete Zahlen angeht, haben die Verhandler Stillschweigen vereinbart. Von Dörfler heißt es nur, man werde sich in der Mitte treffen - die Angebote schwanken allerdings zwischen 141 und 273. "Ein Zweier wird nicht vorne stehen", sagt Sturm und verrät, dass man sich an jenen 163 Tafeln orientieren werde, die Staatssekretär Ostermayer vorgeschlagen hat - "plus/minus fünf bis sechs".
Eine Einigung ist also in greifbarer Nähe. Woran hapert es noch? Man wolle noch auf die nächste Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) warten, der in seiner laufenden Session über zwölf Ortstafeln berät, so Sturm. Dörfler wiederum wäre es am liebsten, wenn die Verfassungsrichter auf eine Entscheidung verzichten und statt dessen "die Politik arbeiten lassen". Schließlich sei es "bedenklich", im Jahr 2011 Entscheidungen aufgrund von Volkszählungs-Zahlen von 2001 zu treffen.
Der Landeshauptmann wünscht sich eine politische Lösung. Auch auf eine Minderheitenfeststellung - bisher fixe Forderung der Kärntner Freiheitlichen - verzichtet die FPK. Dafür soll das Volk befragt werden, wenn bis zum Sommer auch die letzten Details ausverhandelt sind und im Herbst die legistische Arbeit für ein entsprechendes Verfassungsgesetz erledigt ist. "Was spricht dagegen, wenn die Bevölkerung in einer so historischen Sache ihr Votum dazu gibt", so Dörfler, der sich "ein überragendes Dafür" erwartet.
"So sind wir in Kärnten halt, wir verkrampfen"
Die Lösung soll "eine finale" sein, ohne Öffnungsklausel. Damit könnte ein jahrzehntelanger Streit endlich beigelegt werden.
"An und für sich ist es ja absurd, dass wir im 21. Jahrhundert, wo wir alle in der EU sind, die Dinge so verkrampft angehen, sagt Marjan Sturm, "aber so sind wir in Kärnten halt. Wir verkrampfen uns viel zu sehr".
Chronologie
1955: Im Staatsvertrag sichert Österreich den Slowenen und Kroaten in Kärnten, Burgenland und der Steiermark besondere Minderheitenrechte wie zweisprachige Ortstafeln in mehrsprachigen Gebieten zu, ohne diese genauer zu definieren.
1972: Die Regierung Kreisky beschließt die Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln in 205 Kärntner Ortschaften mit zumindest 20 Prozent Slowenen-Anteil. Der Protest dagegen führt zum Ortstafelsturm.
1976: Im Volksgruppengesetz wird ein Slowenen-Anteil von 25 Prozent als Voraussetzung für die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln festgelegt.
1977: Die Topographieverordnung sieht 91 zweisprachige Ortstafeln vor. Sie werden aber nie vollständig errichtet.
2001: Rudolf Vouk bekämpft ein Strafmandat, das ihm im einsprachig beschilderten Ort St. Kanzian ausgestellt wurde, vor dem VfGH. Er argumentiert, die Ortstafel sei nicht gültig, daher gelte Tempo 50 nicht. Der VfGH bezeichnet die 25- Prozent-Quote als zu hoch und hebt Teile des Volksgruppengesetzes und der Topographieverordnung auf.
2011: Nach zahlreichen gescheiterten Vorstößen beginnen Anfang Februar die jüngsten Verhandlungen zwischen Bund, Land und Vertretern der Volksgruppe.