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Zeit für einen basisdemokratischen Umbau

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Der Irak braucht national ein Aussöhnungsvorstoß und international eine diplomatische Offensive.


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"Die Lage im Irak ist ernst und verschlechtert sich. Konfessionskonflikte sind die größte Bedrohung für die Stabilität." So beginnt der Bericht der Iraq Study Group aus dem Jahr 2006. Neun Jahre danach ist es beklemmend, die Untersuchung der überparteilichen Kommission unter dem Vorsitz des früheren US-Außenministers James Baker und des Republikaners Lee Hamilton noch einmal zu lesen. Ihre düstere Einschätzung trifft noch immer zu, nur dass jetzt Syrien, Libyen und der Jemen dazukommen, als Staaten, in denen "überall Pessimismus" herrscht und "das Ausmaß an Gewalt groß ist und weiter zunimmt".

Der Bericht läuft auf zwei Hauptargumente hinaus: Um die Konfessionskonflikte zu lösen, ist national ein Aussöhnungsvorstoß nötig und international eine diplomatische Offensive. Der damalige US-Präsident George W. Bush entschied aber, der Baker-Hamilton-Vorschlag komme einer Kapitulation gleich und wählte einen anderen Weg: Er genehmigte eine Truppenaufstockung unter General David Petraeus, um die Gewalt einzudämmen, damit eine Aussöhnung beginnen könne. Das schien zeitweise zu funktionieren, aber der verheerende religiös motivierte Hass ist geblieben. Und nun sind Teile des Iraks und Syriens unter dem Banner des sogenannten Islamischen Staats.

Auch die Befürworter von Bushs Truppenaufstockung glauben heute nicht, dass eine massive US-Militärintervention ein Weg sein kann. Die USA können helfen, die irakischen Streitkräfte auszubilden und zu beraten. Und US-Präsident Barack Obama sollte den Beratern erlauben, die Iraker in die Schlacht zu begleiten. Aber sogar Stephen Hadley, früherer nationaler Sicherheitsberater von Bush, gibt der US-Regierung recht, dass die Bodentruppen im Irak nur irakische, keine US-Truppen sein sollten.

Der Irak braucht "eine Inklusivregierung" und "Dezentralisierung der Macht", sagt Hadley und betont, dass diese Regionalisierung ohne Unterstützung der Türkei, Saudi-Arabiens, Jordaniens und, ja, auch des Irans nicht funktioniert.

Wie kann das Ziel nationalen Dialogs im Irak heute erreicht werden? Der Irak braucht eine Machtaufteilung. Das Top-Down-System, das die USA nach ihrer Invasion 2003 zu installieren versuchten, ist gescheitert. Es ist Zeit für einen basisdemokratischen Umbau.

"Das Irakprojekt 2003 ist zweifellos zu Ende", sagt der frühere stellvertretende irakische Premierminister Barham Salih: "Die Zeit ist reif für einen ernsthaften nationalen Dialog" über Scheitern und Alternativen - wie einen bundesstaatlichen Irak. Ein organischer Gesprächsprozess ist nötig, wie beim Oslo-Abkommen 1993 zwischen Israelis und Palästinensern oder beim Karfreitags-Abkommen 1998, das Nordirland den Frieden gebracht hat.

Ein ähnlicher Prozess nationalen Dialogs mit internationaler diplomatischer Unterstützung wäre auch für Syrien das Beste. US-Außenminister John Kerry macht sich persönlich für eine solche syrische Kontaktgruppe stark, die neben den USA aus Russland, Saudi-Arabien und dem Iran bestehen soll.

"Es gibt kein Patentrezept, die Probleme des Iraks zu lösen", stellt der Irakreport 2006 fest, der einen zweiten Blick wert ist.

Übersetzung: Hilde Weiss