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Die EZB muss die Zinsen entschlossen anheben, auch wenn das zur Rezession führen wird.
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Eigentlich legen die Europäischen Verträge vollkommen klar und unmissverständlich fest, was die heilige Pflicht der Europäischen Zentralbank (EZB) ist, nämlich "Preisstabilität zu gewährleisten".
Eigentlich. Denn selbst wenn man zugrunde legt, dass die EZB selbst Preisstabilität mit einer Inflationsrate von etwas unter 2 Prozent definiert, hat diese wichtige, vielleicht sogar wichtigste Institution Europas angesichts einer akuten Inflation von 8 Prozent in einem katastrophalen Ausmaß versagt. Eine solche Inflationsrate hat mit der gebotenen "Preisstabilität" so viel zu tun wie Geldpolitik mit Astrologie. Das kostet die Insassen der Eurozone nun hunderte Milliarden Euro an Wohlstandsverlusten - der mit Abstand spektakulärste Raubzug der vergangenen hundert Jahre.
Wäre die EZB ein privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen, wären angesichts dieses monumentalen Versagens längst der komplette Vorstand ausgetauscht und strafrechtliche Untersuchungen eingeleitet worden. In der EZB ist das natürlich anders. Konsequenzen muss dort niemand fürchten, und natürlich bleibt der staatlich sanktionierte Raubzug ohne jegliche Rechtsfolgen für die Täter.
Dass die massive Geldentwertung in Europa keine Naturkatastrophe ist wie ein Erdbeben, sondern Konsequenz einer falschen EZB-Politik, zeigt die Schweiz, deren Notenbank die Inflation unter 3 Prozent hält, also nur knapp über dem, was die EZB für vernünftig hält. Was übrigens auch beweist, dass der Ukraine-Krieg nur einen kleinen Anteil an der Preissteigerung in der Eurozone hat, denn unter dem leidet die Schweiz ja genauso.
Über die Ursachen dieser falschen EZB-Politik, etwa die (verbotene) Finanzierung der überschuldeten Staaten, wurde viel geschrieben. Aber viel wichtiger wäre es, wenigstens jetzt zu retten, was zu retten ist.
Dafür sind jene Mini-Zinserhöhungen, die demnächst kommen, viel zu wenig. Will die EZB die Inflation wirklich einigermaßen ernsthaft bekämpfen, müssen die Zinsen zumindest schnell einmal in Richtung 3 bis 4 Prozent erhöht werden; das ist jener Bereich, ab dem die Leitzinsen die Wirtschaft nicht mehr künstlich aufblähen, sondern eher dämpfend auf die Nachfrage und damit die Preise wirken.
Dagegen kann man einwenden, dass derart hohe Leitzinsen eine Rezession auslösen würden und zudem eine neue Schuldenkrise in Italien, Griechenland oder Spanien. Beides stimmt wohl. Sogar die jetzt angekündigte Mini-Zinserhöhung lässt die Zinsen für italienische Staatsanleihen merklich ansteigen, was Italien natürlich entsprechend höhere Zinsen für seine beeindruckende Staatsverschuldung bescheren wird. Doch eine solche Kombi aus Rezession und Schuldenkrise 2.0 ist die logisch nötige Voraussetzung einer notwendigen Rückkehr zur "Preisstabilität", zu der die EZB angehalten ist. Ohne diesen Preis zu entrichten, wird das nicht zu machen sein.
Natürlich kann sie noch weiter zuwarten und damit im Moment Rezession und Schuldenkrise vermeiden. Sie werden aber dann halt in ein paar Jahren mit noch viel größerer Wucht losbrechen. Was ja wohl nicht das Ziel einer Notenbank sein kann.