Ein EU-Projekt soll Männer stärker in die Erziehung einbinden.
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Wien. Auch im Jahr 2016 ist es so, dass den Großteil der Erziehungsarbeit die Mütter leisten. Nur 28 Prozent der Männer beteiligen sich an der Kinderbetreuung und übernehmen regelmäßig Tätigkeiten wie mit dem Kind spielen, lernen, es baden oder es ins Bett bringen. In Karenz gehen überhaupt nur 18 Prozent der Männer - und zudem meist deutlich kürzer als Frauen. Im europäischen Vergleich liegt Österreich trotz Aufwärtstrend damit im unteren Drittel. In den nordischen und baltischen Staaten etwa kümmern sich 40 Prozent der Männer um den Nachwuchs.
"Es ist an der Zeit für einen Kulturwandel in den Köpfen der Menschen", sagte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) am Mittwoch in einer Pressekonferenz. "Alte Rollenbilder müssen aufgebrochen werden."
Helfen soll dabei ein EU-Projekt, durch das man mehr Väterbeteiligung in der Kinderbetreuung erreichen will. Im Rahmen des Projekts sollen durch Studien und Umfragen die Ursachen für die geringe Beteiligung von Männern an der Erziehung beleuchtet werden. Außerdem wird ein Online-Haushaltsrechner programmiert, mit dem berechnet werden kann, wie sich die gleichmäßige Aufteilung der Kinderbetreuungszeiten finanziell auswirkt.
"Es gibt einen großen Aufholbedarf bei der Gleichstellung in Österreich", sagte Sozialminister Alois Stöger (SPÖ). "Viele Männer, erleben ihre Kinder beim Aufwachsen kaum. Das wollen wir ändern."
Denn der Großteil der Bevölkerung wünscht sich laut Studien, dass Männer mehr an der Kinderbetreuung teilhaben. Bei Menschen bis 24 Jahre und in der Altersgruppe bis 44 ist der Wunsch mit 61 Prozent beziehungsweise 58 Prozent besonders stark ausgeprägt, ebenso bei Menschen in Ausbildung (71 Prozent) und Akademikern (74 Prozent). Darüber hinaus sprechen sich sowohl Männer als auch Frauen dafür aus, eine gleichmäßigere Verteilung der Arbeitszeit zwischen Vätern und Müttern zu schaffen.
Wünsche und Realitätdecken sich nicht
"Hier zeigt sich klar, dass sich die gesellschaftliche Realität und der Wunsch vieler Männer, sich stärker an der Kinderbetreuung zu beteiligen, nicht decken", sagte Stöger. Besonders in männerdominierten Bereichen, also Branchen, in denen mehr als 70 Prozent der Beschäftigten Männer sind, übernehmen Väter kaum Betreuungsfunktionen. Vereinbarkeitsfreundliche Arbeitszeiten und Väterkarenz sind etwa in den Bereichen "Bau", "Herstellung von Waren", "Verkehr" und "Information und Kommunikation" eher die Ausnahme als die Regel.
Viele Überstunden in männerdominierten Berufen
Studien zeigen, dass Männer mit zu betreuenden Kindern in männerdominierten Berufen oft sehr viele Überstunden leisten. Unterstützung vom Arbeitgeber erhalten sie hauptsächlich in finanzieller Form, kaum aber durch Arbeitszeitflexibilität. Die Teilzeitquoten liegen nahezu bei null Prozent. Im Rahmen des EU-Projekts will man sich daher verstärkt auf diese Branchen konzentrieren.
"Wir wollen herausfinden, was vor allem in diesen Branchen die Hindernisse für Männer sind. Die Frage lautet: Wie müssen sich die realen Bedingungen ändern, damit mehr Männer bei der Kinderbetreuung mitmachen?", sagte Stöger.
Dabei gehe es nicht nur um eine verstärkte Beteiligung an der Elternkarenz, sondern auch um eine kontinuierliche Übernahme von Betreuungsaufgaben und einer gerechten Verteilung von Lohn-und Betreuungsarbeit generell. "Denn wenn Männer sich an der Erziehungsarbeiten stärker beteiligen, ermöglicht das den Frauen auch einen früheren Wiedereinstieg in ihren Beruf", sagte Heinisch-Hosek.
"Männern Selbstbewusstsein mitgeben"
Mit diesem Hintergrundwissen will man nun Strategien entwickeln, wie man betriebliche Rahmenbedingungen verbessern kann. "Wir müssen den Männern Selbstbewusstsein mitgeben, damit sie sich trauen, in Karenz zu gehen", betonte Heinisch-Hosek.
Geplant ist auch die Konzeption eines Handbuches für Betriebe und Sozialpartner, in dem gelungene Beispiele von Männern und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeführt werden.
Eine Online-Kampagne soll außerdem zur Bewusstseinsbildung beitragen und über das Projekt informieren. So will man den gesellschaftlichen Wandel in Richtung Gleichstellung vorantreiben.
Das EU-Projekt hat eine Laufzeit von zwei Jahren. Die Gesamtkosten belaufen sich auf knapp 470.000 Euro. Den Großteil davon trägt die Europäische Union, den Rest teilen sich das Sozial- und das Frauenministerium.