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Zeit für Nervosität

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Österreichs Banken sind mit knapp 20 Milliarden Euro im prozentuellen Vergleich der größte Auslandsfinanzier Russlands. In der Ostukraine ist der Konflikt voll ausgebrochen, Russland und die USA schieben einander gegenseitig die Schuld zu. Zeit, nervös zu werden? Ja, durchaus. Neben dem menschlichen Leid in der Ukraine leidet auch die Wirtschaft. Russland muss einen ungeheuren Kapitalabfluss hinnehmen, etwa im Wert von 15 Prozent der Devisenreserven. Putins Rhetorik lässt nicht darauf schließen, dass der Kreml gewillt ist, nachzugeben und eine diplomatische Lösung zu forcieren.

Wenn also die Entwicklung so weitergeht, wird bald jemand fragen, wie gut Österreichs Banken gegen russische Ausfälle gewappnet sind. Die Antwort: Sie sind es gar nicht. Es ist daher kein Wunder, dass Außenminister Kurz mit Wirtschaftssanktionen gegen Russland so gar keine Freude hat. Ein Krieg in der Ukraine würde Polen und die baltischen Staaten militärisch belasten, in wirtschaftlicher Hinsicht wäre EU-weit Österreich der größte Verlierer.

Nun umgarnt Russland auch Österreich. Die jüngste Vereinbarung von Gazprom und OMV zur Lieferung von russischem Gas unter Umgehung der Ukraine hat nur Bestand, solange es keine harten EU-Sanktionen gibt. Oder möchte jemand in Österreich aus der EU austreten und sich Putins Eurasischer Union anschließen?

Dass Österreichs Politik alles versucht, um den Konflikt am Grünen Tisch zu lösen, ist also auch reiner Selbstschutz. Was aber, wenn das kleine Österreich im neuen geopolitischen Spiel nur eine untergeordnete Rolle spielt? Bei EU-Sanktionen wird Österreich mitziehen müssen - und damit auch den wirtschaftlichen Preis bezahlen.

Ja, es ist Zeit, sich ernsthafte Gedanken zu machen, und es wäre beruhigend, würde die Regierung von sich aus überlegen, wie man den Schaden reduzieren kann. Der Deal der OMV mit Gazprom ist zwar vorerst nur eine Absichtserklärung, würde aber die Energieabhängigkeit von Russland erhöhen. Notwendig wäre (auch unter Mithilfe der zur ÖIAG gehörenden OMV und der staatlichen Verbundgesellschaft), darüber nachzudenken, wie die Energieströme aus dem Osten reduziert werden könnten. Aber die Regierung scheint nervöser zu sein, wenn es um innerösterreichische Konflikte mit Bürgerinitiativen zum Thema Energieausbau geht. Das ist zwar auch Nervosität, aber leider die falsche.