Bei der griechischen Schuldenkrise muss man sich eines bewusst sein: Es gibt verschiedene Auswege, aber keiner ist um ein Butterbrot zu haben.
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"Zeit für Plan B" - So titelt die Zeitschrift "The Economist" vor einigen Tagen. Gemeint ist: Die bisherige Strategie der EU, mittels Haftungen und Garantieerklärungen den Ländern der Euro-Peripherie unter die Arme zu greifen, ist dabei zu scheitern. Vor allem Griechenland ist insolvent und nicht vorübergehend illiquid. Eine Restrukturierung der Schulden ist unvermeidlich. Politisch und wirtschaftlich beeinflussbar ist nur, wann und in welcher Form sie stattfindet.
Griechenlands Staatsschulden liegen derzeit bei 140 Prozent des BIP (Österreichs bei 80 Prozent) und würden sich unter plausiblen Annahmen erst 2015 bei 165 Prozent stabilisieren, selbst wenn das beispiellose Austerity-Programm durchgezogen wird. Die Zinsbelastung des Budgets läge dann bei 10 Prozent des BIP. (Auf Österreich umgelegt hieße dieses Schreckensszenario: 30 Milliarden Euro für Zinsen statt derzeit 7 bis 8 Milliarden!) Nur Japan hätte eine noch höhere Staatsverschuldung, aber es ist nicht vergleichbar: Welche Hondas, Toyotas, Sonys etc. fallen Ihnen bei griechischen Industrieprodukten ein?
Die Finanzmärkte reagieren nicht mehr auf die offiziellen Beschwichtigungsparolen. In den letzten Wochen lag der Zinssatz für zehnjährige Griechenland-Anleihen wieder bei 12 Prozent, so wie am Höhepunkt der Krise im April/Mai 2010. Die Wahrscheinlichkeit von Zahlungsunfähigkeit wird somit gleich hoch eingeschätzt wie damals.
Aus Schuldenkrisen gibt es verschiedene Auswege, aber keiner ist um ein Butterbrot zu haben. Sich selbst überlassen, könnte Griechenland ein Schicksal wie Argentinien vor zehn Jahren erleiden: Niedergang von Löhnen, Beschäftigung und Output; Run auf die Banken; Abwertung des Peso mit entsprechendem Anstieg der Dollar-Schulden. Letztlich mussten sich die Gläubiger mit der Zahlung eines Drittels der Forderungen zufrieden geben. Als Mitglied der Eurozone kann Griechenland nicht abwerten; es könnte eine (abgewertete) Drachme wiedereinführen - um den Preis eines Anstiegs der Euro-Schulden.
Zweitens könnte man mit der Wirtschafts- und Fiskalunion ernst machen: Die fehlt als wesentlicher Pfeiler einer Währungsunion. Die (besonders auf deutscher Seite empörte) Zurückweisung der Vorschläge zur Schaffung gemeinsamer Euro-Bonds zeigt, dass Europa dafür noch nicht reif zu sein scheint.
Dann bleibt aber drittens nur "Preemptive Restructuring of Debt" - auf gut deutsch: Schuldennachlass, Fristerstreckungen und Zinszugeständnisse der Gläubiger, seien sie staatlich oder privat. Und zwar bevor formell Zahlungsunfähigkeit erklärt wird, um die No-Bail-Out-Klausel zu umgehen und unsteuerbare Panik auf den Finanzmärkten zu vermeiden. Bis 2013, wie es noch der Dezember-Gipfel des Europäischen Rates meinte, wird nicht Zeit sein. Und übrigens: Irland und Portugal stehen nicht wesentlich besser da.
Alexander Van der Bellen ist Nationalratsabgeordneter der Grünen. Jeden Dienstag lesen Sie hier den Gastkommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei.