Bei der Arbeitszeitreform sind die Sozialpartner noch unflexibel. Nach dem medialen Positionieren soll jetzt verhandelt werden.
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Wien. "Es wurde schon alles gesagt - nur noch nicht von mir", sagte Rudolf Kaske, Präsident der Arbeiterkammer. Fairerweise sei hinzugefügt, dass Kaske damit seine Kollegen meinte, die bei der Pressekonferenz am Montag neben ihm saßen und vor ihm zu Wort kamen. Dennoch hatte dieser Satz etwas Sinnbildliches für die Diskussionskultur der Sozialpartner in den letzten Wochen.
Seit das sperrige Wort Arbeitszeitflexibilisierung auch im erneuerten Regierungsprogramm steht, trommeln die Streitparteien wieder täglich ihre Parolen durch die Gazetten und Fernsehdiskussionen. Auf der einen Seite steht: die Wirtschaft, an vorderster Front die Wirtschaftskammer. Auf der anderen Seite: die Vertreter der Arbeitnehmer, an deren Spitze die Arbeiterkammer und die Gewerkschaft. Für beide bedeutet Arbeitszeit Geld. Aber aus völlig anderen Blickwinkeln.
Die Unternehmer wollen mehr Arbeit für weniger Geld. Sie möchten vor allem dann mehr arbeiten lassen, wenn Arbeitsspitzen anfallen - ohne Beschränkungen von Lage und Dauer der Arbeitszeit. Die Wirtschaft möchte die tägliche Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden anheben. Und das, wenn möglich, ohne Zuschläge. Statt Geld soll es für Mehrarbeit freie Tage geben, in den Phasen, in denen weniger Arbeit anfällt.
Verhärtete Fronten
Überspitzt gesagt, ist die Arbeitszeit in Österreich in vielen Bereichen noch so geregelt, als würde es nur Arbeiter geben, die beim morgendlichen Ertönen der Fabriksirene zu ihren Arbeitsplätzen strömen. Hört man sie ein zweites Mal, wird der Heimweg angetreten. Die Arbeitsplanung wird in vielen Branchen lange im Vorhinein getroffen und Überstunden sind teuer. Bei vielen Arbeitern ist die Mehrarbeit aber nicht "unbeliebt", bilden sie doch ein nicht unwesentliches Zubrot zum Monatslohn. Das gefällt den Unternehmern gar nicht.
Die Vertreter der Arbeiter wollen einem Entfall der Zuschläge nicht zustimmen. "Überstunden müssen Überstunden bleiben", sagte Rudolf Kaske, Präsident der Arbeiterkammer am Montag. Für ihn ist eine Reform der Arbeitszeit nach den Wünschen der Wirtschaft im Moment kein Thema. Schon jetzt könnte die Arbeitszeit phasenweise auf 50 bis 60 Stunden pro Woche angehoben werden. Außerdem müssten Arbeitnehmer selber entscheiden können, wann sie ihre Freizeit nehmen, die sie sich mit Überstunden erarbeitet haben. Alles andere wäre mit Gesundheit und Familienleben nicht vereinbar.
Kaske warb für eine "gerechte Verteilung der Arbeitszeit". Dabei werde berücksichtigt, dass Vollzeitbeschäftigte im Schnitt zwei Stunden weniger und Teilzeitkräfte drei Stunden mehr arbeiten wollen, sagte er. Laut Kaske brauche es eine Arbeitszeitverkürzung - früher wurde diese Forderung prompt mit der Ergänzung "bei vollem Lohnausgleich" vorgebracht. Heute wird sie still mitgedacht.
An diesem Punkt hängen die Gespräche seit Jahren fest. Die Regierung hat den Sozialpartnern vorgegeben, sich bis Ende Juni zu einigen. Schaffen sie das nicht, präsentiert die Koalition ihr eigenes Modell. Die Fronten in Arbeitsmarktfragen sind zwischen den Sozialpartnern nach wie vor verhärtet, wie man an den Ansichten zur Arbeitszeitreform nur unschwer erkennen kann.
Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer, sagte am Montag, dass die Wirtschaft beim Mindestlohn gesprächsbereit sei. Dafür möchte er "Spielräume bei der Arbeitszeit". Arbeiterkammer und Gewerkschaft wollen diese Dinge aber getrennt voneinander verhandeln. Es wird nicht leichter.
Vom Reden ins Schweigen
In den letzten Tagen wurde kräftig kundgetan und es wurden Grenzen gezogen, die man nicht überschreiten möchte. Das ist in der Politik rituell. Vor allem, wenn man eine bestimmte Klientel zu vertreten hat. Nun soll aus diesen äußerst konträren Ansichten ein Kompromiss folgen.
Auf Nachfrage, wo sich Wirtschaft und Arbeitnehmervertretung bewegen könnten, sind die Sozialpartner allerdings nicht sehr redselig. Kurz zusammengefasst: Es wird verhandelt, über Details wurde Stillschweigen vereinbart, Kaske und Leitl telefonieren fast täglich. Im späten Frühjahr soll zumindest ein Zwischenergebnis präsentiert werden, so Kaske. Die Sozialpartner hätten den Auftrag angenommen, zu einer Einigung zu kommen, sagte Leitl. Statt dem Gegenüber über die Medien alles Mögliche auszurichten, sei es besser, gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten, waren sich beide einig. Aber man richtet sich fast täglich Positionen aus. Die Arbeiterkammer hätte damit nicht angefangen, sagte Kaske sinngemäß - das wäre die Wirtschaft gewesen. Dann wäre zumindest das geklärt.