Mit der Umstrukturierung der Wirtschaft in Richtung Dienstleistungs- und IT-Branchen gehe auch eine Veränderung der Arbeitswelt einher: "Wir werden zunehmend mit virtuellen Unternehmensformen befasst sein - und Zeitarbeit wird sich zu einem wesentlichen Faktor entwickeln", erklärte Gerhard Flenreiss, Geschäftsführer der Zeitarbeiter-Vermittlungsagentur Manpower, bei einem Vortrag in der Wiener PR-Agentur Publico.
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Die New Economy verändere auch die Vorstellungen der unselbstständig Erwerbstätigen: Selbstverwirklichung und spannende Aufgaben im Beruf würden an der Spitze der "Wunschliste" der "neuen" MitarbeiterInnen stehen - in der Arbeitsform Zeitarbeit seien diese Ansprüche hervorragend zu verwirklichen. Mit der Umstrukturierung von Arbeitsvorgängen hin zu projektbezogener Teamarbeit müsse sich "die Betrachtensweise" ändern. Zwar stünden viele Arbeitgeber neuen Arbeitsformen wie der Zeitarbeit skeptisch gegenüber - "Die Loyalität der MitarbeiterInnen mit ,ihrem&grsquor; Betrieb wird immer noch als wichtiger Faktor angesehen, auch befürchten Arbeitgeber Know-How-Transfers" -, die "durchschnittliche Arbeitsdauer in ein und derselben Firma nimmt aber ab", sagt Flenreiss. Für den wirtschaftlichen Erfolg gewinne die Übereinstimmung zwischen den Zielen des Unternehmens und jenen der MitarbeiterInnen zunehmend an Bedeutung: "Den Interessenswiderspruch zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern können wir uns in Zukunft nicht mehr leisten", ist der junge Manager überzeugt.
Zeitarbeitsvermittler seien "das Bindeglied zwischen dem für eine Funktion am besten qualifizierten Mitarbeiter und dem Bedarf in den Unternehmen". Kümmern würde man sich bei Manpower auch um Schulung und Karriereplanung der Vermittelten: "Da wird es mittelfristig nicht mehr nur darum gehen, personelle Lücken zu füllen, sondern um Konzeptlösungen, um Human Resources optimal nutzen zu können", erklärt Flenreiss. Das lebensbegleitende duale Ausbildungssystem der Zukunft werde aus e-Learning und Zeitarbeit bestehen, entwirft er seine Vision der Arbeitswelt: "Die von neuen Technologien geprägte Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft wird viele mobile ArbeitnehmerInnen brauchen." Bei Manpower mit weltweit 2,5 Millionen ZeitarbeiterInnen in 54 Ländern ortet er einen Trend der Verschiebung von Arbeitern ("blue collar workers") hin zu administrativ-organisatorisch tätigen MitarbeiterInnen ("white collar workers").
Herausforderungen und Möglichkeiten für zukunftsorientierte Arbeitsmarktpolitik
Geregelt ist Zeitarbeit - in Österreich auch als Leiharbeit bezeichnet - im Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, erklärt Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein: "Seit Inkrafttreten des Gesetzes 1988 hat die Leiharbeit in Österreich einen kontinuierlichen Aufschwung erlebt." Diese Entwicklung verweise auf den steigenden Bedarf. Fast 25.000 österreichische ArbeitnehmerInnen seien in Leiharbeit beschäftigt, das sind 1,2% aller unselbstständig Beschäftigten. "Leiharbeit bietet zudem für ArbeitnehmerInnen, die längere Zeit erfolglos auf Arbeitsuche waren, ungleich bessere Chancen, wieder in den regulären Arbeitsprozess integriert zu werden", sagt Bartenstein. Umfassende gesetzliche Regelungen würden Leiharbeiter in arbeitsvertraglichen, arbeitnehmerschutz- und sozialversicherungsrechtlichen Belangen absichern. Die Wirtschaft schätze laut Bartenstein dabei vor allem die Möglichkeit, kurzfristig Personalausfälle kompensieren zu können oder größere Aufträge, die mit dem Stammpersonal alleine nicht zu bewältigen sind, akquirieren zu können - "und damit konkurrenzfähig zu bleiben".
Das Arbeitsmarktservice (AMS) nutze Gemeinnützige Arbeitskräfteüberlassungsprojekte als arbeitsmarktpolitisches Instrument zur (Re-)Integration von Problemgruppen. Im Rahmen dieser Projekte können sich die TeilnehmerInnen in der verleihfreien Zeit im Rahmen von Tele-Learning zusätzliche Qualifikationen aneignen, die ihre Chancen am Arbeitsmarkt erhöhen. Einen zusätzlichen Vorteil der Zeitarbeit sieht Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl in der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, "aber auch zum Beispiel die Integration Behinderter wird durch diese neuen Arbeitsformen zusammen mit den neuen Technologien erleichtert." Als "klassische Aufgabe einer funktionierenden Sozialpartnerschaft" nennt Leitl, dass angesichts des "wichtigen Themas aber auch der großen Chance Zeitarbeit" die aus dieser neuen Arbeitsform "möglicherweise entstehenden emotionalen, sozialen oder psychischen Probleme bewertet und entsprechend berücksichtigt werden".
Dass Zeitarbeit "längst keine Randerscheinung mehr" ist, sondern sich "zu einem bestimmenden sozialpolitischen und wirtschaftlichen Thema entwickelt hat", betont auch Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tumpel. Die Rahmenbedingungen seien zwar im Arbeitskräfteüberlassungsgesetz grundsätzlich geregelt, dennoch würden konkrete Detailregelungen für die spezielle Form der Zeitarbeit fehlen. Tumpel fordert daher rasch den "dringend notwendigen Abschluss eines Kollektivvertrages für Zeitarbeiter".