Aktionsgemeinschaft fordert mehr konstruktive Zusammenarbeit der ÖH mit Bildungsministerium. | SPÖ-Austritt der VSStÖ-Spitze kann für Überraschungen sorgen. | Wien. "Nichtwählen schadet anderen." Mit diesem Motto versucht die derzeitige rot-grüne Spitze der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH), die Studenten zum Urnengang zu motivieren. Von 22. bis 24. Mai sind österreichweit mehr als 210.000 Studenten an 21 Universitäten zur Wahl ihrer Vertretung aufgerufen - wenn sich der Trend der vergangenen Jahrzehnte fortsetzt, dann wird allerdings nicht einmal ein Drittel von ihnen dieser Aufforderung nachkommen.
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Den Hauptgrund für das wachsende Desinteresse der Studenten sieht Samir Al-Mobayyed, Spitzenkandidat der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft (AG) in der mangelnden Informationspolitik der ÖH-Spitze. Er fordert "weniger Gesellschaftspolitik". Denn in den vergangenen sechs Jahren - die Koalition aus Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) und Grünen und Alternativen StudentInnen (Gras) regiert seit 2001 - "hat man nur von Demonstrationen, aber nicht von konstruktiver Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium gehört", sagt Al-Mobayyed. Ziel der AG ist es, stimmenstärkste Fraktion zu werden und "endlich frischen Wind in die ÖH zu bringen".
Ähnliche Probleme ortet Philipp Weingartshofer, Spitzenkandidat des Liberalen Studentenforums (LSF). Wenn die ÖH-Führung nur "rote Fahnen schwingt, demonstriert und die Internationale singt", dann sei es logisch, dass sich die Studenten nicht vertreten fühlen, meint er. Das LSF ist die einzige Fraktion, die die Studiengebühren nicht abschaffen, sondern mit Hilfe von Bildungsdarlehen umschichten will. Mit dieser Forderung dürfte das LSF, das sich Chancen auf höchstens ein Mandat in der Bundesvertretung ausrechnet, in der ÖH aber auf taube Ohren stoßen.
Denn gerade die Debatte um die Studiengebühren hat dazu geführt, dass sowohl die derzeitige ÖH-Vorsitzende Barbara Blaha, als auch die VSStÖ-Spitzenkandidatin für die kommende Wahl, Lisa Schindler, aus der Mutterpartei SPÖ ausgetreten sind. Die SPÖ hatte vor der Nationalratswahl 2006 die Abschaffung der Gebühren gefordert, in der Koalition mit der ÖVP aber klein beigegeben.
Politikverdrossenheit und ökonomischer Druck
"Es gibt keinen Unterschied zwischen der schwarz-blau-orangen und der rot-schwarzen Regierung - beide sparen die Unis kaputt", wettert Schindler. Dass die derzeitige Regierung die "Demokratie mit Füßen tritt" ist für sie die Ursache für das mangelnde Interesse der Studenten an Uni-Politik. Zudem sind laut Schindler der ökonomische Druck und die Doppelbelastung von Arbeit und Uni zu groß, um noch "nach links und rechts schauen" zu können.
Auch Fanny Rasul, Spitzenkandidatin der seit 2003 stimmenstärksten Fraktion Gras, glaubt, dass sich der Ärger der Studenten über die amtierende Bundesregierung in der kommenden ÖH-Wahl niederschlagen wird. "Jetzt erst recht" bräuchte die ÖH aber Rückendeckung durch die Studenten, um deren Interessen durchsetzen zu können, so Rasul.
Aber ist die Hochschülerschaft nicht ohnehin ein eher zahnloses Gremium? Auf keinen Fall, meinen Schindler und Rasul unisono. In der vergangenen Legislaturperiode habe die ÖH-Exekutive immerhin eine - wenn auch geringfügige - Erhöhung der Stipendien, das passive Wahlrecht für ausländische Studenten und die Wohnbeihilfe für Wohngemeinschaften durchsetzen können, erklärt Schindler. Und in Anspielung auf das unbeliebte indirekte Wahlrecht, das die ÖH nicht verhindern konnte, meint Rasul: "Es hätte noch viel mehr furchtbare Regelungen gegeben, wenn wir nicht da gewesen wären."
Indirektes Wahlrecht als Vorteil für Fachschaftslisten
Das indirekte Wahlrecht ist seit dem Urnengang 2005 in Kraft, die Studenten wählen dabei nur mehr die Universitätsvertretung direkt. Je nach Studentenzahl werden dann von den jeweiligen Unis Vertreter ins Studierendenparlament entsandt. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist die ungleichmäßige Verteilung der Mandate auf Bundesebene: Während etwa die Angewandte pro 1000 Studenten einen Mandatar entsenden darf, kommen an der Uni Wien 5000 Studenten auf einen Abgeordneten. Auch die Möglichkeit, Listenverbände zu gründen, wird vom VSStÖ abgelehnt: Ohne dieses "Lex RFS" wäre der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) 2005 aus dem Parlament geflogen, heißt es.
Während der RFS ohnehin nicht mit mehr als einem Mandat rechnen kann - Spitzenkandidatin Elisabeth Schwetz hofft auf 1500 Stimmen - hat die Listen-Regelung vor allem den Fachschaftslisten (FLÖ) genutzt. Der österreichweite Listenverband - im Übrigen die einzige parteiunabhängige Fraktion - konnte 2005 immerhin 13,4 Prozent der Stimmen auf sich vereinen.
Damit haben die FLÖ die großen Fraktionen und vor allem die linke Koalition in Bedrängnis gebracht. Sollten die Fachschaftslisten heuer ihr Ziel, drittstärkste Kraft zu werden, erreichen, könnten sie Gras und Sozialisten den Regierungsrang ablaufen. Denn noch liegt es im Bereich des Möglichen, dass sich der Austritt der VSStÖ-Spitze aus der SPÖ zugunsten anderer Listen auf das Wahlergebnis auswirken wird.
Mehr Informationen: www.wahl07.at
Die ÖH gilt als Sprungbrett für spätere Spitzenpolitiker - vor allem im Bereich der SPÖ.
Bundespräsident Heinz Fischer war Mandatar des VSStÖ, der spätere SPÖ-Zentralsekretär Karl Blecha, der spätere Minister Hannes Androsch und der Wiener Bürgermeister Michael Häupl fungierten als VSStÖ-Vorsitzende. Auch der Grüne Nationalratsabgeordnete Karl Öllinger führte die SPÖ-Studenten an. Ulli Sima, Gras-Spitzenkandidatin bei der ÖH-Wahl 1993 ist heute SPÖ-Stadträtin. Der spätere FPÖ-Chef Norbert Steger war stellvertretender RFS-Vorsitzender. Und ÖVP-Vizekanzler Wilhelm Molterer war in den 70er Jahren ÖH-Vorsitzender an der Uni Linz.