Bögen wurden mehrfach vermauert, aber nie entfernt. | Fund ist in Wien einzigartig. | Denkmalamt prüft eine Freilegung. | Wien. Die Wiener Innenstadt ist im Vergleich mit vielen anderen Großstädten reich gesegnet an historischer Bausubstanz. Die Freilegung eines bisher unter Putz verborgenen und vermauerten Kreuzganges aus dem frühen 14. Jahrhundert in der Hofburg ist aber selbst für Wiener Verhältnisse eine Rarität. Entsprechend groß ist das Interesse von Denkmalpflegern, Bauhistorikern, Archäologen und Steinexperten, die sich derzeit im wegen Renovierung eingerüsteten Hof des Augustinerklosters die Hand geben. Es geht vor allem um die Entscheidung, ob und wie man den seltenen Fund freilegt und öffentlich zugänglich macht.
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Man schrieb das Jahr 1327, als Kaiser Friedrich I., "der Schöne", das Eremitenkloster der Augustiner aus der Vorstadt ins Zentrum übersiedeln ließ. Der Bau mit seinem Kreuzgang rund um den später mehrfach umgebauten, aber im Grundriss bis heute erhaltenen Innenhof entstand ab 1330. Da sich der eingeschoßige Bau an Herren- respektive Augustinergasse, einem der ältesten Verkehrswege Wiens, orientierte, ist die erst 1349 geweihte Kirche gesüdet - und nicht wie üblich geostet.
"Hier, wo wir jetzt die noch zugemauerten Bögen erkennen, lag damals der Kreuzgang mit dem Eingang zur Georgskapelle, wo Hochadelige ihre letzte Ruhestätte fanden, während Mönche unter dem Kreuzgang begraben wurden", so Kunsthistoriker Günther Buchinger. Um ihnen die Totenruhe zu lassen, ist dieser Teil der Hofburg bis heute nicht unterkellert - eine weitere Besonderheit.
Die Hofburg umfasste damals erst das Areal des Schweizerhofes. Die Augustinerkirche wurde der Burg erst 1634 einverleibt und zur kaiserlichen Hofpfarrkirche ernannt, wo unter anderem Maria Theresia mit Franz von Lothringen und Franz Joseph mit Sisi vermählt wurden. Damals wurde der Kreuzgang zugemauert; es entstand die bis heute existierende Loreto-Kapelle mit den Herz-Urnen vieler Habsburger. Die zweieinhalb nun freigelegten Kreuzgang-Bögen überlebten daher alle späteren Umbauten des Hofes.
Entdeckt und demoliert
"Die Bögen wurden erst 1962 wiederentdeckt, als man die Mauer trockenlegen wollte - dabei hat man die gut erhaltenen und noch original verputzten Teile aber stark beschädigt", erklärt Mittelalter-Archäologin Doris Schön, die die Mauerteile aufgrund ihrer Struktur datiert.
An sich werden Funde dieser Art nämlich befundet und dokumentiert - und danach wieder verschlossen, "da sie dadurch am besten geschützt sind und wir in der Regel jenen Zustand wiederherstellen, der den am spätesten errichteten Gebäudeteilen entspricht", erklärt Landeskonservator Friedrich Dahm. In diesem Fall wäre das der 1906 als Letztes errichtete Westflügel des Hofes; eine Epoche, in der längst kein Kreuzgang mehr sichtbar war.
Dennoch überlegen die Fachleute intensiv, ob und wie man die Bögen restaurieren oder gar freilegen könnte: "Der Fund ist eine bauhistorische Sensation und in Wien einzigartig. Selbst der ebenfalls noch erhaltene Kreuzgang im Dominikanerkloster ist mehrfach modernisiert worden", betont Dahm. Die Beratungen dauern noch an.