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Eine musikalische Zeitreise in den Wiener Vormärz unternahm ORF 2 Sonntag mit der Doku über den Komponisten Joseph Lanner. Der Titel "Joseph Lanner Superstar" ließ einen biographischen Bericht über den Schöpfer unvergesslicher Walzerklänge erwarten, präsentiert wurde ein nachdenklich machendes Zeitporträt über das "Popidol" des Biedermeier.
Die Sendung zeigte Lanners Lebens- und Wirkungsstätten oder besser das, was von diesen blieb. Mehr jedoch als die bekannten Melodien beeindruckten die zeitgeschichtlichen Betrachtungen. Lanners Musik, entstanden in einer Zeit politischer Unterdrückung und großer wirtschaftlicher Probleme, brachte dem sich nach Musik und Bewegung sehnendem Wien ein innovatives Musik- und Tanzverständnis.
Es entstand eine geradezu revolutionäre Entertainment-Kultur mit zahlreichen Etablissements, in denen ein klassenübergreifendes Publikum gesellschaftliche Schranken überwand. Hier tanzte jeder mit jedem, noch dazu in enger körperlicher Umarmung. Der Tanz, besonders der Walzer, wurde zu einer gemeinsamen Körpererfahrung und damit zum erotischen Erlebnis. Tanzen war damals leichter als demonstrieren; der Tanz wurde Ausdrucksmittel für verbotene Freiheitssehnsüchte.
Lanners Musik heute, 200 Jahre später, hat an Reiz nichts verloren, nur revolutionären Elan kann sie nicht mehr auslösen. Sie ist aber unverzichtbarer Teil unserer Musik- und Tanzkultur.
Die Doku hat dazu beigetragen, dass Lanner im zeitgenössischen Gedächtnis nicht als ewig Zweiter neben Walzerkönig Strauß haften bleibt, sondern sein Schatten bis in die Gegenwart reicht.