Ausstellung zeigt neueste Forschungsergebnisse österreichischer Archäologen zum Steinmonument.
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Mistelbach. Es wirkt, als säße man im Jahr 1500 vor Christus auf einem Querbalken von Stonehenge und blickte von dort über die Landschaft. Das Panorama reicht über die grünen Hügeln des englischen Avebury bis zum Horizont. In die Augen stechen die pfeilgerade Straße, die Stonehenge mit dem River Avon verbindet, und die noch älteren Monumente des schon etwas verfallenen Wood Henge und des Superhenge Durrington Walls mit seiner kleinen Siedlung. Eine Projektion macht diese Zeitreise möglich. Sie berücksichtigt sogar den natürlichen Sonnenstand.
Die mit Jahreszahlen versehenen Einblendungen archäologischer Funde und Messungen erzählen dabei die Fakten der Kultur- und Baugeschichte von Stonehenge. Die Bilder starten bei den ersten Siedlern 7000 vor Christus. Sie gehen weiter zur Geschichte der heute unter der Erde verborgenen Langhäuser, die 3500 vor Christus dem Totenkult dienten, und zum rätselhaften Superhenge Durrington Walls, dessen Funktion nicht geklärt ist und das für das freie Auge nur über Bodenformationen erkennbar ist. Danach folgt die tausendjährige Baugeschichte der heute von einer Million Menschen im Jahr besuchten Megalithenkonstruktion Stonehenge. Sie wurde ab 2500 vor Christus als Totenkultstätte errichtet und bis in die Bronzezeit (um 1500 vor Christus) als solche genutzt.
Verborgene Landschaften
All dies und mehr haben archäologische Messungen zu Tage gefördert. Die Daten bilden die Grundlage der Ausstellung "Verborgene Landschaft Stonehenge", die nun bis 27. November im Mamuz Museum im niederösterreichischen Mistelbach zu sehen ist. Die Macher der bisher größten Schau zu Stonehenge haben auf Vermittlung gesetzt und das Vorhaben ist gelungen. Wer Ausstellung sieht, begreift die berühmteste rituelle Landschaft der Welt.
Mit Stonehenge verbinden die meisten Menschen nur den kolossalen Steinkreis mit seinen fünf auffälligen Trilithen - das sind je zwei aufrechte Tragsteine mit darauf liegendem Deckstein. Auch das Mamuz wirbt mit diesem Sujet und sogar mit Trilith-Nachbildungen in Kreisverkehren rund um Mistelbach. Doch Stonehenge ist viel mehr. Die Anlage steht in einer Landschaft mit hunderten urgeschichtlichen Monumenten, von denen der Großteil unter der Erde liegt. Wolfgang Neubauer vom Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und sein Team erforschen mit Kollegen der Universität Birmingham im "Hidden Landscape Project" seit 2010 die Gegend um Stonehenge. Mit Magnetometern und Bodenradar haben sie verborgene Monumente aufgespürt.
"Wir haben eine eigene Software entwickelt, um unsere Messdaten in der Ausstellung zu visualisieren. Damit können Erkenntnisse, die wir dazu gewinnen, auch in die Ausstellung integriert werden", erklärt Neubauer, der die Schau zusammen mit dem britischen Archäologen Julian Richards kuratiert hat. Neben der eingangs erwähnten Panoramaleinwand kommt die Software auf einem Gebietsrelief und in zahlreichen Bildschirm-Visualisierungen zu Einsatz. "Wir wollten die Geschichte über mehrere Kanäle zeigen: Viele Leute nehmen sich nämlich nicht die Zeit, um sich alles anzuschauen", sagt Neubauer.
Auch die palisadenartige Ausstellungsarchitektur bildet eine Erzählebene. Sie erreicht zwar nicht das ästhetische Niveau der wissenschaftlichen Visualisierungen, bildet jedoch ein effizientes Leitsystem durch die Geschichte, die 10.000 vor Christus beginnt. Jäger jagten Tiere, die sich in von warmen Quellen gespeisten Tümpeln tränkten. Aus dem Wasser stammt auch eines der faszinierendsten Ausstellungsobjekte, ein "Pinkstone". In den Tümpeln lebt nämlich eine Alge, die Feuerstein-Knollen besiedelt. An der Luft verfärben sich diese Steine in ein leuchtendes Pink - ein Phänomen, das damals wohl wie Zauberei erschien. Im Lauf der Geschichte folgen in der Schau die ersten Viehzüchter und Bauern, die 3800 bis 3500 vor Christus erste Monumente für ihre Toten errichteten und die ersten monumentalen Erdwerke gruben. 400 bis 500 Jahre später wurden dann die ersten Steine in Stonehenge aufgerichtet.
Diese wohl bedeutendste Leistung prähistorischer Baumeister steht auch in Form einer originalgetreuen Nachbildung eines Trilithen im Zentrum der Ausstellung.