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Das Jahrhundert geht zuende, die Rückblicke häufen sich. Es wird dokumentiert, was die laufenden Bilder und Zeitzeugen hergeben. Wie so etwas sehenswert gelingen kann, war am Mittwoch zu
bewundern. Für die Reihe "Kanzler" hat das ZDF die beste Sendezeit bereitgestellt. Nach Adenauer, Erhard und Kiesinger war die Jahrhundertfigur Willy Brandt an der Reihe. Zu sehen gab es naturgemäß
die bekannten, historischen Bilder: Brandt in Berlin und Erfurt, als auf die Knie sinkender Deutscher in Polen und als Friedensnobelpreisträger in Oslo. Alles jedoch gleichsam post mortem, aus der
Distanz · nach dem Mauerfall und dem späten Erbe seiner Ostpolitik. Der Staatsmann Brandt spiegelte sich im Privatmann Willy leidvoll wider. In einer Dreiviertelstunde wurde man Zeuge, wie die immer
unerträglicher gewordene Last der Macht mit der erträglichen Leichtigkeit des bloßen Menschseins kurzen Prozeß gemacht hatte. Damals · in aller Öffentlichkeit.
Wie man privat die so leidvolle erste Jahrhunderthälfte ertragen und überstehen konnte, war zwei Stunden später zur fast schlechtesten Sendezeit zu sehen · in ORF 2. Im ersten Teil von Ruth
Deutschmanns berührender Doku "Ein Leben · Ein Jahrhundert" kamen Menschen zu Wort und ins Bild, deren Lebenszeit sich fast mit dem Jahrhundert deckt. Ein Pflichtfilm, ein Muß für alle Nachgeborenen.
Ein historisches Medika. . . äh. . . Dokument, das natürlich nur zur besten Sendezeit seine volle Wirksamkeit entfalten könnte. Sollte!