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Zelle des Widerstandes

Von Christof Habes

Politik
Ein Künstler mit vielen Erzählformen: Mario Garcia Torres zeigt im Augarten sowohl dokumentarische Kurzfilme als auch Installationen mit unterschiedlichen Artefakten.
© Anders Sune Berg/TBA21, 2016

Migration im Augarten: Francesca Habsburg bleibt, Mario Garcia Torres kommt gerade an.


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Wien. Es bleibt Wien. Die Sammlerin und Philanthropin Francesca Habsburg hat es in den vergangenen Monaten spannend gemacht. Seit sie letzten Herbst öffentlich gemacht hatte, dass sie ernsthaft in Erwägung zieht, mit ihrer TBA21-Foundation von Wien nach Zürich zu übersiedeln, schrillten in der Wiener Kunstszene sowie in der Politik die Alarmglocken. Die Befürchtung lag nahe, dass mit dem Wegzug der privaten Stiftung Wien einen weiteren massiven Verlust an international renommierten Ausstellungsplattformen erleiden wird. Wie es in den vergangenen Jahren - aus unterschiedlichen Gründen - mit den Sammlungen der Generali oder der Bawag geschehen ist.

Francesca Habsburg führte in Interviews als Entscheidungsauslöser ins Treffen, dass es ihrer Ansicht nach der aktuellen Wiener Kunstszene an notwendigem "Drive" für eine nachhaltige, globale Rezeption mangelt. Ob dieser "Drive" in Zürich derzeit zu spüren ist, sei dahingestellt. Zurück bleibt ein aufkommender Teufelskreis mit Dominoeffekt, wenn in Krisensituationen bei Kulturinitiativen und Sammlungen der Rotstift angesetzt wird, und einige daraufhin abwandern oder gar geschlossen werden.

Politisch-kulturelles Labor

Jetzt hat das Zittern ein Ende gefunden: Die Ereignisse der letzten Monate haben die Patronin der TBA21 umdenken lassen. Die prekäre Situation der Flüchtlinge, die Fragen der internationalen Migration und nicht zuletzt die Bundespräsidentenwahlen hätten sie, wie sie in erklärte, bewogen, in Wien zu bleiben. Sie möchte zukünftig den Augarten sowohl für Ausstellungen als auch als politisch-kulturelles Laboratorium nutzen. Eine Plattform, wo mit Künstlern und Kulturschaffenden auch soziale und politische Projekte umgesetzt werden können. Wie zuletzt die Initiative von Olafur Eliasson gemeinsam mit Flüchtlingen eine gewesen ist.

Wobei noch ein paar Fragen für den Verbleib im Augarten zu klären sind. Der Mietvertrag mit der Stiftung läuft 2017 aus und Francesca Habsburg hat etwas ganz klar formuliert: Falls sie hierbleibt, möchte sie den gesamten Komplex bespielen. Also nicht nur die Ausstellungsräume, sondern auch die Ateliers, die Künstlerresidenzen und vor allem das Ambrosi-Museum, das ihr aufgrund der künstlerischen Provenienz und Inaktivität ein besonderer Dorn im Auge ist. Als Ideal stellt sie sich die Realisierung eines Konzeptes à la Museumsquartier im Augarten vor. Kennt man die Behäbigkeit der Institutionen, die über die einzelnen Teile des Augartens herrschen, dann stehen noch aufreibende Verhandlungen über den Verbleib an.

Wie wichtig wäre der Verbleib der TBA21? Sieht man sich die neue Ausstellung des mexikanischen Künstler Mario Garcia Torres "An Arrival Tale" an, dann kann es nur eine Antwort geben: ungemein wichtig. Das Ausstellungsprogramm der letzten Jahre hatte und hat einen überzeugenden, internationalen Fokus, der für einen offenen, profunden Kunstdiskurs für Stadt und Land wesentlich ist. Das beweist sich bei Garcia Torres. Der 1975 geborene Künstler präsentiert Arbeiten - kuratiert von Daniela Zyman -, die meist fesselnde Geschichten und Narrative als Grundlage haben.

Kurzfilme und Installationen

Seine Erzählform beinhaltet sowohl dokumentarische Kurzfilme als auch Installationen mit unterschiedlichen Artefakten. Wie bei der Installation "Sounds Like Isolation to Me" über den amerikanischen Komponisten Conlon Nancarrow. Garcia Torres entwirft eigene facettenreiche wie spannende Berührungspunkte mit dem bedeutenden Komponisten der Avant-Garde.

Oder der beeindruckende Kurzfilm "Tea", in dem er sich auf die Spuren des Künstlers Alighiero Boetti nach Afghanistan macht, der Anfang der 1970er Jahre den Plan hatte, ein Hotel in Kabul zu eröffnen. Eine packende Geschichte, für die man sich gerne eine Stunde Zeit nimmt. Genau diese Formen der Präsentation sind es, die das Programm TBA21 auszeichnen. Man muss sich Zeit nehmen: zuerst für die Anreise, danach für die Ausstellungen. Daher bleibt zu wünschen, dass die anstehenden Verhandlungen in einer permanenten "Arriving Tale" enden werden.

Mario Garcia Torres, "An Arriving Tale" Thyssen-Bornemisza Art Contemporary-Augarten, Wien bis 20. November 2016
www.tba21.org