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Zeltpolitik

Von Clemens Neuhold und Matthias Nagl

Politik

Analyse: Eine Notunterkunft als Symbol für die verdrängte Flüchtlingskrise.


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Wien. Absichtserklärungen. Damit endete der Asylgipfel 2012, und damit endete - weil es seither zu oft bei Absichten blieb - der Asylgipfel 2015. Diesen hatte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner für Freitag kurzfristig einberufen, weil die Zahl der Asylanträge "explosionsartig" gestiegen sei. Alleine von Montag bis Mittwoch gingen rund 900 Asylanträge vornehmlich aus Bürgerkriegsländern wie Syrien und Afghanistan ein. Neue Flüchtlinge werden seither in Zelten untergebracht.

Darauf ist Österreich alles andere als vorbereitet, obwohl der Exodus von vier Millionen Syrern aus dem zerbombten Land schon vor mehr als zwei Jahren einsetzte und die Flüchtlingskatastrophe aus Afrika mindestens ebenso lange andauert. Die italienische Küstenwache rettete alleine in den vergangenen zwei Tagen 2500 Menschen vor dem Ertrinken. Statt eines Masterplans für die nötigen Quartiere reichten Bund, Länder und Gemeinden die heiße Kartoffel im Kreis weiter und gaben einander gegenseitig die Schuld. Wohin also mit den Flüchtlingen, damit die Camps nicht zur Dauerlösung werden?

Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner kritisiert, dass nur 20 Prozent der heimischen Gemeinden untergebracht hätten. Ja, es gibt sie, die Gemeinden, die sich aus Angst vor dem Fremden gegen eine Handvoll Flüchtlinge sperren und Bürgerversammlungen dagegen abhalten. Aber es gibt auch Gemeinden, die sich solidarisch zeigen wollen und trotzdem keine Flüchtlinge bekommen. "Das Land Oberösterreich sagt, sie wollen keine kleinen Quartiere, weil alle Quartiere unter 50 Personen in der Administration zu aufwendig sind", sagt der Sprecher des Gemeindebundes, Daniel Kosak. Selbst die Caritas würde für die adäquate Betreuung ebenfalls große Quartiere bevorzugen. "Alle putzen sich bei uns ab. Dabei wären kleine Quartiere der Schlüssel", sagt Kosak.

Es fehlen aber die Rahmenbedingungen für Private, die Initiative ergreifen. Im Internet posten Menschen Schreiben an die Innenministerin, in denen sie Quartiere bei sich anbieten - und keine Antwort bekommen. Warum gibt es kein zentrales Register für Quartiere, die rasch auf ihre Tauglichkeit geprüft werden? Positive Beispiele könnten weitere Privatpersonen und Gemeinden ermutigen.

Für größere Quartiere bieten sich auch Kasernen an. Rund 100 Personen sind derzeit in der Tilly-Kaserne in Freistadt, rund 250 Personen in der Magdeburg-Kaserne in Klosterneuburg untergebracht. Verteidigungsminister Gerald Klug lässt nun weitere Kasernen prüfen. Warum erst jetzt? Weil keine weiteren leer stehen, er Kasernen nicht per se als Asylheime sehen möchte und ihm das Geld für die Adaption der Quartiere fehlt. Liegt es also schlussendlich am Geld? Mehr Betreuungsgeld pro Flüchtlinge wäre aus Sicht der Diakonie der Schlüssel, um Gemeinden ins Flüchtlings-Boot zu holen. Bei früheren Krisen machten die Österreicher über Steuern und Spenden nötiges Geld locker. In der aktuellen Flüchtlingskrise will das nicht so recht klappen - weil ihr Ursprung nicht in Europa liegt und weil die Politik die Menschen beschwichtigt hat, anstatt das Elend in Syrien zu erklären. Alleine im Nachbarland Jordanien fristen 700.000 Syrer ihr Dasein in Zelten. So viel zur Absichtserklärung der FPÖ: syrische Asylwerber zu Wirtschaftsflüchtlingen zu erklären, die kein Recht auf Asyl haben.