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Reza Dormishians neuer Film rechnet mit der Ära Ahmadinejad im Iran ab.
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Wien. Eigentlich sollte die Wahl des moderaten Präsidenten Hassan Rohani im Sommer 2013 den Beginn einer neuen kulturellen Ära von Medien- und Zensurfreiheit im Iran einläuten: Doch es endete mit einem Schlagabtausch zwischen den moderaten und den konservativen Kräften. Letztere saßen - wie schon in den vergangenen 35 Jahren seit Beginn der Islamischen Revolution - wieder einmal auf dem längeren Ast.
Der Film wurde trotz einer Approbierung und einer Aufführungsbewilligung zwei Abende vor Spielbeginn im Iran durch die Sittenwächter gestoppt und zensuriert. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits zehntausende Tickets verkauft worden. Der mehrfach ausgezeichnete Regisseur Reza Dormishian wartet bis heute darauf, dass sein Film endlich in der Islamischen Republik zu sehen ist.
Mit der Auszeichnung des Films "Asabani nistam" (I am not angry/Ich bin nicht wütend) von Dormishian auf dem wichtigen iranischen Fajr Festival 2014 und der Approbierung eines Films durch das iranische Kulturministerium, der die Ära des umstrittenen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad (2005-2013) kritisch beleuchtet, hofften die Reformer endlich auf eine Lockerung der Zensur. Der Film war auch der einzige iranische Beitrag auf der 64. Berlinale 2014.
Doch schon beim Fajr Festival wurde die Liebesgeschichte rund um Navid und Setareh, die sich rund um die Ereignisse in Zusammenhang mit den Demonstrationen gegen die Wiederwahl Ahmadinejads kennen- und lieben lernen, um 15 Minuten gekürzt gezeigt. Eine für Dormishian vorgesehene Pressekonferenz wurde durch die Zensurbehörde untersagt.
Für Gelächter und Spott sorgten die Veranstalter des Festivals. Denn zuerst wurden den Hauptdarstellern des Films mehrere Preise zuerkannt und dann (wohl auf Druck der Sittenwächter) wieder aberkannt. Die Ersatzgewinner zeigten jedoch Solidarität mit dem Film und überreichten ihre Gewinne, wie sie sagten, "an die rechtmäßigen Besitzer".
Was dann folgte, war ein Hin und Her zwischen moderaten und ultrakonservativen Kräften. Kulturminister Ali Jannati hatte bei seinem Amtsantritt versprochen, dass von ihm approbierte Filme jedenfalls gezeigt werden dürfen. Dieses Mal musste er sich dem Druck der Hardliner beugen und brach sein Versprechen. Die erzürnte, überwiegend junge iranische Bevölkerung quittiert das Nachgeben der moderaten Kräfte mit Enttäuschung und Zorn über die Regierung Rohani. "Das Machtwort heißt zensuriert. In diesem Land wird alles zensuriert, was ist das dann für ein Land? Rohanis schönen Worten sind nicht nur keine Taten gefolgt, sondern die Situation hat sich verschlechtert", konstatiert einer von ihnen im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
150 iranische Filmschaffende und Schauspieler haben in einem Brief an das iranische Kulturministerium die Freigabe des Films zur Aufführung gefordert. Rohani hat sich bisher noch nicht geäußert. Für Künstler wie Dormishian kann ein Interview mit ausländischen Medien ihr Karriereende bedeuten. Die konservativen Medien legen hierbei die Worte auf eine Waagschale und legen sie als "Systemkritik" aus. Daher haben wir einige Fragen auf Wunsch des Regisseurs, der seinen Film am vergangenen Freitag im Wiener Filmkasino vorstellte, aus dem Text genommen. Auch wenn "Asabani Nistam" im Iran noch nicht läuft, so hat er schon mehrere Preise, darunter in Shanghai, eingeheimst.
"Wiener Zeitung": Wie geht es Ihnen, nachdem Sie Ihren Film, der bereits eine Approbierung hatte, monatelang vor der Hardliner-Presse und dem Parlament verteidigen müssen?Reza Dormishian: Der Film ist sehr wichtig für mich. Ich habe ihn für den Iran gedreht. Mein ganzes Bestreben liegt darin, dass der Film doch noch den Weg in die Kinos in meinem Land findet.
Warum wurde Ihr Film in letzter Sekunde gestoppt?
Er wurde zuerst zensuriert und dann ganz verboten. Doch ich stehe voll und ganz hinter meinem Film. Damit die Verantwortlichen meinen guten Willen sehen, habe ich ihnen mehrmals angeboten, dass sie ihre Vorschläge unterbreiten und mir sagen sollen, was ich ändern soll, damit er doch noch gezeigt werden kann. Seit der Produktion ist mittlerweile ein Jahr vergangen.
Es heißt, dass Ihre Kritik an der Ära Ahmadinejad den Hardlinern zu weit gegangen ist...
Der Iran hat in der Zeit von 2005 bis 2013 acht bittere Jahre erlebt. Mahmoud Ahmadinejad hat die kulturellen Tore des Landes komplett verschlossen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Hat sich mit Rohani, der während seines Wahlkampfes von vielen als "Scheich der Hoffnung" bezeichnet wurde, etwas geändert?
Mit Rohanis Wahl kam ein frischer und ermutigender Wind in den Iran. Damit verbunden natürlich auch große Erwartungen der Menschen an den Präsidenten. Wir wissen natürlich alle, dass er gekommen ist, um die Knoten zu öffnen. Doch es ist in der Umsetzung nicht so leicht.
Was planen Sie nun?
Ich warte nun auf die Revision und hoffe, dass meinem Einspruch stattgegeben wird. Denn so etwas, dass ein approbierter Film nicht gezeigt werden darf, so etwas hat es erst ein einziges Mal gegeben. Wenn nötig, nehme ich noch hundert Änderungen vor, aber er muss gezeigt werden.
Asabani nistam
(af) "Ich bin nicht wütend" ist eine Kritik an den Lebensbedingungen im heutigen Iran. Um die Regimekritik abzuschwächen, ist der Vorspann mit dem Titel "Eine freie Adaption des heutigen Iran" versehen. Der Film, der komplett in Teheran gedreht wurde, erzählt die bittere Geschichte vom iranischen Kurden Navid, der Student ist und wegen seiner politischen Ansichten exmatrikuliert und aus der Lehre verbannt wird. Navid versucht, seine Liebe, Setareh nicht zu verlieren. Die beiden hatten sich 2009, während der Proteste gegen die Wiederwahl Mahmoud Ahmadinejads kennengelernt. Nun fordert Setarehs Vater von Navid endlich, "reinen Tisch mit seiner Tochter zu machen". Navid versucht, seine geliebte Freundin trotz der alltäglichen Restriktionen für sich zu behalten. Der Film, der ein Budget von rund 400.000 Dollar hatte, wurde ohne jegliche Unterstützung vom Staat gedreht. Als Schauplätze dienten 60 Orte im Süden und Norden Teherans. Hauptdarsteller sind Baran Kosari, Navid Mohammadzadeh und Milad Rahimi.