Zum Hauptinhalt springen

Zentral- und Osteuropa zwischen Moskau und Brüssel

Wirtschaft

Europäisches Forum Alpbach: Ukraine-Krieg verändert Rolle der CEE-Staaten auch wirtschaftlich.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat unter anderem auch die zentral- und osteuropäischen Länder wieder in den Fokus gerückt, die bis zum Ende des Kalten Kriegs auch Teil des Warschauer Pakts waren. Ihnen käme nun auch eine gewichtige Rolle im Zuge der neuen Diversifikation der EU zu, um weniger abhängig und damit weniger angreifbar von - in diesem Fall Russland - zu sein. Die EU bezog bis vor kurzem fast die Hälfte ihres Gases aus Russland. In Österreich sind es 80 Prozent.

"Wir haben uns lange Jahre auf billiges, zuverlässig geliefertes Gas aus Russland verlassen. Das ist jetzt vorbei und diese Zeit kommt auch nicht wieder", sagte Wolf Reuter, Chefökonom des deutschen Bundesfinanzministeriums, bei einer Diskussionsrunde des Europäischen Forums Alpbach zur neuen Rolle der CEE-Länder. Und noch etwas habe sich schlagartig verändert: "Wir haben uns insbesondere in Deutschland darauf verlassen, dass Länder und Regionen, die intensiv miteinander Handel betreiben und wirtschaftlich eng verflochten sind, keine Kriege führen. Diese Maxime gilt jetzt nicht mehr", so Reuter.

Schwieriger Umgangmit Russland

Bei der Suche nach neuen Handelspartnern müsse die EU einerseits darauf achten, nicht wieder zu abhängig von zum Beispiel einem Energielieferanten zu werden. "Anderseits wäre es auch schlecht, gar keinen Handel zu betreiben, weil man dann im Falle des Falles auch keine Möglichkeit hat, zu sanktionieren", so Reuter.

Im Umgang mit Russland komme den östlichen EU-Staaten und dem Westbalkan eine besondere Rolle zu, meint die montenegrinische Ministerpräsidentin Jovana Marovic. Das Land habe, anders als sein serbischer Nachbar, sofort die EU-Sanktionen gegen Russland implementiert und wende diese an. "Das bedeutet, wir stehen auf der richtigen Seite der Geschichte, aber wir zahlen jetzt auch einen Preis dafür", sagte Marovic im Rahmen der Diskussionsveranstaltung.

Russische Touristen und russische Investitionen seien für das Land ökonomisch bedeutend. Diese sind aber weggebrochen. Zudem kämpfe das kleine Balkanland derzeit mit heftigen Cyberattacken auf seine Administration. Marovic nannte auch Serbien unter dem jetzigen Präsidenten Aleksandar Vucic, der offen einen prorussischen Kurs fährt, eine Gefahr für die Region. Sie forderte abermals intensiven Austausch mit der EU und eine baldige EU-Erweiterung auf dem Westbalkan.

"Ich bin, was die CEE-Länder und den Westbalkan angeht, aus ökonomischer Sicht gar nicht pessimistisch, trotz des Kriegs", sagt etwa Johann Strobl, Chef der Raiffeisen Bank International. Zwar seien die Inflation und die hohen Energiekosten so wie in ganz Europa eine Herausforderung. Der Wirtschaftsraum werde aber nach wie vor, was sein Potenzial und seine Resilienz angehe, unterschätzt und sei auch für diese Krise gut gewappnet. In puncto Diversifikation meint Strobl: "Das wird seitens der Firmen auf ganz natürlichem Weg passieren, dass sie neue Lieferpartner suchen und sich nicht nur von einer Seite stark abhängig machen."(del)