Experte: Massive Subvention für schwache Länder. | Tiefes Zinsniveau ist kein langfristiges Gleichgewicht. | Frankfurt/Wien. Griechenland, Irland, Spanien und Portugal profitieren von einem "Finanzausgleich großer Ordnung": "Es gibt eine massive Subventionierung der Bankensysteme in den schwachen Ländern durch die Europäische Zentralbank", sagt Daniel Gros, Chef der Brüsseler Denkfabrik Ceps, zur "Wiener Zeitung". Im Zuge der Krise hat die EZB ihren Leitzins auf ein Rekordtief gesenkt und auf eine unbeschränkte Kreditzuteilung umgestellt. Banken, die Geld benötigen, können sich seither zum Zinssatz von nur einem Prozent refinanzieren.
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Besonders stark nützen das trudelnde Banken in den Problemländern: Laut Gros haben (mit Stand August 2010) die griechischen Banken mehr als 96 Milliarden Euro erhalten - das sind 40 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes. Irlands Banken hätten von 95 Milliarden Euro (60 Prozent des BIP) profitiert. Den Löwenanteil von 119 Milliarden Euro sicherten sich spanische Institute mit 119 Milliarden (11 Prozent des BIP), während Portugals Finanzsektor 50 Milliarden Euro an Krediten zugeteilt erhielt (30 Prozent des BIP). Die EZB bestätigt die Zahlen auf Anfrage der "Wiener Zeitung" nicht: Man veröffentliche nur Werte für den gesamten Euroraum.
Gros beruft sich bei seinen Angaben auf die nationalen Notenbanken. Verglichen mit diesen Summen sei der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB - bisher 63 Milliarden Euro - "marginal", sagt er. Weil diese Banken das Geld niemals von anderen Instituten erhalten hätten - schon gar nicht zu diesen Konditionen - sei das eine massive Subvention: Nimmt man die staatliche griechische Risikoprämie als Maßstab dafür, was sich die Banken ersparen, belaufe sich diese auf 2,8 bis 3,2 Prozent des BIP.
Kreislauf nicht auf ewig
Diese Banken könnten ihre Schulden zwar nicht zurückzahlen, aber die Zinsen bedienen - solange der Zinssatz bei einem Prozent bleibt. "Das kann aber nicht immer so weitergehen", so Gros. Seine Sorge ist, dass die EZB aus diesem Kreislauf nicht rauskommt. Deshalb müsse der Zeitpunkt kommen, wo die schwächsten Banken über die Klinge springen: "Wir brauchen eine geordnete Insolvenz für Banken und Staaten." Letztlich sei dann die Frage, wie die Lasten geteilt werden: "Alles auf die Gläubiger abzuladen, wird nicht gehen. Ohne Gläubigerbeteiligung geht es aber auch nicht."
Im Moment geht keine Bank pleite: Die Zentralbanken akzeptieren Papiere mit schlechterer Bonität als Sicherheiten und nehmen das Risiko auf ihre Bilanz. Werden sie zu den Müllschluckern der Krise? "Das ist das Problem der EZB zur Zeit", so Gros. Notenbanken gehen freilich in aller Regel nicht pleite - das Bedrohungsszenario sei vielmehr eine "japanische Situation: Nichts passiert." Das würde bedeuten, dass nicht überlebensfähige Zombie-Banken die Wirtschaft belasten, das Wachstum stagniert - und den Zentralbankern die Hände fast gebunden sind.
Aus EZB-Sicht trifft all das nicht zu: Ihre Geldpolitik orientiere sich nicht an einzelnen Ländern oder Banken, sondern allein an den geldpolitischen Zielen Geldmenge und Inflation.
Nationalbank-Gouverneur und EZB-Rat Ewald Nowotny nannte das Zinsniveau am Freitag bei der "Gewinn"-Messe "ganz außergewöhnlich niedrig". Es sei sicher kein Gleichgewichtszinssatz - langfristig würden die Zinsen steigen.