Inflation ist ein monetäres Phänomen. Drei fundamentale Wege zu ihrer Stabilisierung stehen in jedem Grundlagenlehrbuch der Makroökonomik.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Hohe Inflation ist in Europa angekommen. Viele politische Entscheidungsträger verweisen auf den Krieg in der Ukraine als Erklärung dafür. Dabei vernachlässigen sie hausgemachte Probleme. Bereits seit mehreren Monaten ist die Inflation deutlich über der Zielmarke der EZB von 2 Prozent.
Unter Inflation versteht man einen allgemeinen Anstieg des Preisniveaus. Ein hohes Preisniveau bedeutet, dass die vorhandene Geldmenge im Vergleich zur vorhandenen Gütermenge hoch ist. Geld ist dementsprechend wenig wert. Insofern ist Inflation immer ein monetäres Phänomen. Drei fundamentale Wege zur Stabilisierung der Inflation stehen in jedem Grundlagenlehrbuch der Makroökonomik:
Erstens könnte versucht werden, die Güterproduktion auszudehnen. Eine höhere Güterproduktion geht bei konstanter Geldmenge mit fallenden Preisen einher. Doch ist eine Ausdehnung der Güterproduktion kurzfristig unrealistisch: Chinas Null-Covid-Politik verursacht Brüche in internationalen Lieferketten, und die europäische Produktion muss von Corona und den Folgen der eigenen Corona-Politik erst noch richtig genesen.
Zweitens könnten die Staatsausgaben gesenkt werden. Egal, ob es sich um kluge oder weniger kluge staatliche Konsumausgaben oder Investitionen handelt, verursachen sie jeweils eine Nachfrage nach knappen Gütern. Doch Null-Defizite oder leichte Überschüsse waren in den Ländern der EU selbst in guten Jahren vor Corona eine nahezu heroische Leistung. In schlechteren Zeiten ist der Sparwille noch weniger ausgeprägt.
Damit bleibt also nur, drittens, eine restriktive Geldpolitik. Die vorhandene Geldmenge könnte durch die Zentralbank gesenkt werden, was äquivalent zu einer Zinserhöhung wäre. Mit weniger Geld im Umlauf fallen die Preise bei konstantem Güterangebot. Die Europäische Zentralbank (EZB) hätte gemäß ihrem Mandat für Preisstabilität im Euroraum zu sorgen. Damit sie das ohne große politische Einflussnahme tun kann, ist sie formal unabhängig.
Wettbewerb und Vergleichsmöglichkeiten
Warum also dreht die EZB nicht an der Zinsschraube und nimmt Geld vom Markt, indem sie ihre enormen Volumina an Staatsanleihen reduziert? Die Federal Reserve (Fed) in den USA beschreitet diesen Weg bereits. Manche behaupten, die EZB verfolge nicht mehr ihr Mandat zur Preisstabilität, sondern andere politische Ziele, etwa die Rettung der Staatsfinanzen Italiens und anderer Länder. Wir hingegen erachten insbesondere den fehlenden Wettbewerb zwischen Zentralbanken als Erklärung für das Zögern der EZB bei der Bekämpfung der Inflation.
Derzeit dominieren mit der Fed und der EZB zwei große Zentralbanken die Geldpolitik der demokratischen Industriestaaten. Als Schilling, D-Mark, Franc, Lira und andere Währungen neben Dollar, Pfund und Franken existierten, waren alle Zentralbanken einem deutlich stärkeren Wettbewerb um internationale Reputation und den Wert ihrer Währungen ausgesetzt. Die Oesterreichische Nationalbank musste nicht nur darauf achten, was in den USA passierte, sondern Vergleiche mit größeren und kleineren Zentralbanken waren der Standard. Kein Zentralbank-Gouverneur wollte Schlusslicht in Europa sein. Diese Art des Wettbewerbs zwischen den Notenbanken eröffnete Vergleichs- und Lernmöglichkeiten.
Heute sind Vergleiche schwieriger, der Wettbewerb spielt eine weniger wichtige Rolle, und das Lernen ist eingeschränkt. Die Fed und die EZB achten zwar darauf, was der jeweils andere Zentralbank-Riese macht, und reagieren aufeinander. Daher könnte die kürzlich erfolgte Erhöhung der Leitzinsen in den USA auch bald in der Eurozone zu einer restriktiveren Politik führen. Doch der Wettbewerb zwischen zwei Riesen ist oft schwach.
So werden die erfolgreichen Zentralbanken in Skandinavien oder der Schweiz vom Riesen EZB als kleine Sonderfälle abgetan. Die erfolgreichen Zwerge achten zwar genauestens darauf, was die Riesen machen, aber die Riesen nehmen die Zwerge nicht besonders ernst. Selbst die Bank of England vertritt im Wettbewerb eine im Vergleich zur Eurozone und den USA kleine Volkswirtschaft.
Ohne Wettbewerbsdruck wird die EZB wohl nur sehr behäbig und langsam auf die Inflation reagieren, denn formale Unabhängigkeit und ein selbst interpretierbares Mandat allein reichen nicht, um die Inflation schnell zu bekämpfen. Doch Wettbewerb kann nicht einfach hergezaubert werden. Deshalb schlagen wir vor, systematische Vergleiche in Form eines Benchmarkings zwischen Ländern zu institutionalisieren.
Solange die Inflation nicht unter 2 Prozent liegt, was in der Vergangenheit unter Preisstabilität verstanden wurde, sollte die EZB öffentlich und allgemein verständlich Stellung beziehen, warum die Inflation in anderen europäischen Ländern ohne den Euro als Währung und in ausgewählten Ländern der Welt wie Japan oder Australien niedriger ist. Um ihre Stellungnahme glaubwürdig zu machen, sollte die EZB schnell auf eine restriktive Geldpolitik setzen und damit die Inflation etwas näher an 2 Prozent bringen.