)
Trichet verweigert sich den Erwartungen des Marktes und der Politik. | Banken erhalten weiter unlimitiert billiges Zentralbankgeld. | Druck auf Euro bleibt. | Frankfurt/Wien. Europas Politiker können die Rettung der Eurozone nicht auf die Notenbanker abwälzen: Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, zeigte diesen Ambitionen am Donnerstag die kalte Schulter.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Und er lässt sich nicht von den Märkten in Geiselhaft nehmen: Angesichts rasant steigender Risikoaufschläge für Schuldenpapiere in Euroländern wie Irland, Portugal und Spanien hatten viele Akteure erwartet, die Zentralbank würde ihr umstrittenes Ankaufprogramm von Staatsanleihen massiv ausweiten, um diesen Ländern zu helfen.
Obendrein hatten EU-Währungskommissar Olli Rehn und Trichet selbst Andeutungen gemacht, die so verstanden worden waren.
Offenbar ein großes Missverständnis: "Die Märkte hatten die Ankündigung einer Bazooka erwartet", sagte eine Journalistin bei der Pressekonferenz in Frankfurt. Dieser martialische Vergleich ist in den USA üblich, wenn die Notenbank Federal Reserve (Fed) drastische Mittel ergreift: So hatte etwa Fed-Chef Ben Bernanke Anfang November Anleihenkäufe für 600 Milliarden Dollar angekündigt - letztlich ein riesiges Gelddruck-Programm, um Konsum und Investitionen anzukurbeln.
Die Zentralbanker in Frankfurt bleiben hingegen hart: Sie wollen einzig darauf achten, dass das Finanzsystem funktionsfähig ist - und ihrem Mandat, der Preisstabilität des Euro, folgen. Man bleibe aber "ständig wachsam", versprach Trichet. Der EZB-Rat habe mit "überwältigender Mehrheit" (also nicht einstimmig) beschlossen, die Anleihenkäufe fortzusetzen. Das Ausmaß orientiere sich an den beobachteten "Erschütterungen" des Finanzsystems.
Auch Anfang Mai, während der Griechenland-Krise, hatte Trichet dementiert, dass die EZB Staatsanleihen kaufen würde - und musste wenige Tage später eine völlige Kehrtwendung machen. Seither hat die Zentralbank um 67 Milliarden Euro Anleihen aus taumelnden Euro-Staaten gekauft und in die Bilanz genommen.
Erholung "überrascht positiv"
Trichet hatte sich damals anhören müssen, er setze die Glaubwürdigkeit der EZB aufs Spiel - eine abermalige 180-Grad-Wendung ist deshalb höchst unwahrscheinlich. Nur ein Zugeständnis gibt es noch an die Staatsschuldenkrise: Die EZB verschiebt ihre Exitstrategie aus dem Krisenmodus zeitlich nach hinten. Das bedeutet, dass Geschäftsbanken weiter unbegrenzt billiges Geld mit bis zu drei Monaten Laufzeit erhalten können - und das zumindest bis ins erste Quartal 2011 hinein. Auch der Leitzins bleibt beim Rekordtief von einem Prozent.
Auffällig oft betonte Trichet, dass die Erholung der Eurozone sich fortsetze und die Daten "positiv überrascht" hätten. Inflationsrisiken gebe es nicht. Was das krasse Auseinanderklaffen der wirtschaftlichen Aussichten der Euroländer anbelangt, wich er aus: Auch andere Währungsräume wie die USA hätten Regionen mit unterschiedlicher Datenlage. Trichet mahnte aber die Regierungen, die Sparbemühungen konsequent und mit Bedachtnahme auf das Wachstum fortzusetzen.
Genau das, ein glaubhaftes Ausstiegsszenario aus der Verschuldung, ist für die gefährdeten Euroländer der Schlüssel, um das Vertrauen der Märkte wiederzuerlangen, sagt Anleihen-Expertin Gudrun Egger von der Erste Group.
Das geht nicht über Nacht: Die Schuldenkrise werde uns wohl noch die nächsten Jahre begleiten, prognostiziert Erste-Chefanalyst Fritz Mostböck. Etwas verwundert zeigen sich die Analysten, dass die Märkte der hohen Verschuldung der USA kaum Aufmerksamkeit widmen. Den Nordamerikanern kommt aber zugute, dass ihre größte Sorge sich etwas lindert: Jüngste Daten zeigen, dass die Arbeitslosenrate, zuletzt hartnäckig bei 10 Prozent, sinken wird.
EU-Krisengipfel dementiert
Die Eurozone dürfte indes weiter unter Beschuss bleiben. Die EZB nimmt mit ihrem Beharren auf Unabhängigkeit nämlich in Kauf, dass die Euro-Problemländer mit noch höheren Zinsaufschlägen abgestraft werden - und womöglich nach Irland ein weiteres Land wie Portugal oder sogar Spanien unter den Rettungsschirm schlüpfen muss. Gerüchte, dass am Wochenende wieder ein EU-Krisengipfel bevorsteht, wurden am Donnerstag in Brüssel dementiert.

)
)
)