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Zentrum internationaler Diplomatie

Von Alexander Maurer

Politik
Matthias Kulka/Corbis

In Wien leben mehr als 18.000 Personen mit diplomatischem Status - nicht nur ein wichtiger Faktor für die Wirtschaft.


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Wien. Diplomatie hat in der Donaumetropole eine jahrhundertelange Tradition, die nicht beim Wiener Kongress aufhört. Allein dieses Jahr war Wien die Bühne der zweiten Westbalkankonferenz und der Verhandlungen über das Atomprogramm des Iran. Und seit Freitag tagt die diplomatische Elite auf dem Syrien Gipfel im Hotel Imperial.

"Wien ist praktisch"

"Wien war so wie Genf und andere Städte schon immer der Ort für internationale Begegnungen", erklärt Hans Winkler, Direktor der diplomatischen Akademie Wien. "Die Stadt ist einfach praktisch. Sie liegt geografisch gesehen in der Mitte Europas und hat eine gute Infrastruktur. Außerdem ist Österreich kein Land mit Großmachtambitionen und weist eine konsistente und vorhersehbare Außenpolitik auf", führt er weiter aus. "Es ist ein österreichisches Anliegen, Wien aktiv als internationale Drehscheibe zu stärken", betont man im Außenministerium. So hatte beispielsweise Minister Sebastian Kurz selbst angeboten, die Atomverhandlungen in Wien zu führen.

Bereits 1956 wurde unter Außenminister Leopold Figl mit der Internationalen Atomenergiebehörde die erste internationale Organisation in Wien angesiedelt. "Man wollte so vermeiden, dass Österreich je wieder von der internationalen Staatengemeinschaft vergessen wird wie beim Anschluss 1938", meint Hans Winkler. Der Plan war es, sich mit aktiver Neutralitätspolitik "aktiv für Frieden, Menschenrechte und Demokratie einzusetzen", erklärt er weiter. "Dann stehen wir in Wertfragen nicht zwischen den Blöcken."

"Dieser Versuch, Wien zum Zentrum der internationalen Diplomatie zu machen, ist wohl das einzige Kontinuum der österreichischen Außenpolitik", meint Heinz Nußbaumer. Der Journalist war Pressereferent von Bundeskanzler Josef Klaus und später auch der Bundespräsidenten Kurt Waldheim und Thomas Klestil. "Die Idee von Wien als internationaler Stadt und Begegnungsort für Großmächte begann schon unter Julius Raab. Bundeskanzler Josef Klaus hat dann den Vereinten Nationen angeboten, einen Sitz für sie in Wien zu errichten. Dieses Angebot wurde aber erst unter Bruno Kreisky umgesetzt", erinnert er sich und fügt schmunzelnd hinzu: "Wien war damals gleichberechtigt mit New York und Genf. Das haben die Schweizer anfangs nicht so gern gesehen." Neben der UNO sind auch das Ölkartell Opec, die "Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa", die seit der Ukraine-Krise wieder an Bedeutung gewinnt, und zahlreiche diplomatische Missionen in Wien angesiedelt. Großmächte wie die USA unterhalten hier so bis zu drei Niederlassungen.

An der Spitze der UNO

Österreich sei aber nicht nur im Herholen großer Konferenzen, sondern auch im Entsendenden von Personen in Führungsfunktionen erfolgreich gewesen. "Der Höhepunkt, der die Österreicher natürlich mit Stolz erfüllt hat, war, als Kurt Waldheim UNO-Generalsekretär wurde. Das war bei der Identitätsschaffung anfangs ein Bonuspunkt", meint Nußbaumer. Die enge Freundschaft zwischen Kreisky und Waldheim kam damals auch stark zum Tragen, erzählt er. "Ohne die Unterstützung Kreiskys wäre Waldheim nicht UNO-Generalsekretär geworden. Da hat sich für Kreiskys Außenpolitik eine ganz neue Spielwiese eröffnet. Damals wurde auch ausgehandelt, dass die UNO in Wien nur einen symbolischen Schilling pro Jahr Miete zahlt."

Dieser weltdiplomatische Status Österreichs "ist auf eine relativ geschickte Politik unsererseits zurückzuführen - und auch der später ungeliebte Waldheim hat dort eine Rolle gespielt", ist auch Peter Bochskanl, ehemaliger Chefredakteur der "Wiener Zeitung" überzeugt. "In seiner Zeit als UNO-Generalsekretär, als er quasi noch unangefochten war, hat er viele hilfreiche Kontakte geknüpft." Bochskandl betont auch, dass Österreich nie nachgelassen habe, in der Politik eine Vermittlerrolle zu spielen. Auf diese "konsequent auf Dialog und Interessensausgleich" ausgerichtete Vorgehensweise ist man auch im Außenministerium stolz. "Unsere hervorragende Diplomatie ist das Erbe aus der Zeit Maria Theresias. Wenn jemand vor den Vorhang zu holen ist, dann der Berufsstand der österreichischen Diplomaten", betont ebenso Heinz Nußbaumer.

"Unbezahlbare Werbung"

Schon zu Zeiten des Wiener Kongresses 1814 kritisierte der satirische Ausspruch "Er zahlt für alle: Kaiser Franz" die Kosten dafür, Dreh- und Angelpunkt der internationalen Diplomatie zu sein. Auch heute ist ein weltpolitischer Gipfel teuer - gute Infrastruktur hin oder her. Seitens des Außenministeriums kann man keine Beträge nenne, versichert aber, dass man bemüht sei, jede Konferenz so sparsam und effizient wie möglich abzuwickeln. Selbstgeplante Veranstaltungen wie der Westbalkangipfel seien ohnehin vorab im Budget berücksichtigt.

Aber es bringt nicht nur Kosten, Hochburg der Diplomatie zu sein. Eine lange Liste an Dienstleistern verdient daran - Dolmetscher für Konferenzen, Fahrzeugleasing, Veranstaltungsräume, Hotellerie, Gastronomie und viele mehr. "Natürlich ist die Umwegrentabilität recht hoch", meint Hans Winkler. "Soweit ich informiert bin, leben in Wien über 18.000 Personen mit diplomatischem Status, dazu gehören auch Familienangehörige und Wanderdiplomaten. Diese sind zweifelsohne ein wichtiger Faktor für die Wiener Wirtschaft." Davon ist man auch seitens des Außenministeriums überzeugt. "Darüber hinaus ist es für Wien eine unbezahlbare Werbung, wenn es ständig als Austragungsort von Konferenzen in den internationalen Medien vorkommt", heißt es. Und nicht nur Touristen zieht die Schönheit der Stadt an die Donau. "Wien bietet eine historische Kulisse, mit der andere Standorte einfach nicht mithalten können", fügt man hinzu.