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Zahlreiche hohe Offiziere haben sich bereits vom syrischen Machthaber Bashar al-Assad abgewandt, gar nicht zu sprechen von den tausenden desertierten Soldaten, die in der Freie Syrische Armee vereint gegen die Sicherheitskräfte kämpfen. Diese sind nicht mehr in der Lage, das ganze Land militärisch unter Kontrolle zu halten. Punktuell - wie zuletzt etwa im Rebellen-Viertel Baba Amro in Homs - schlagen Assads Truppen die Aufständischen in die Flucht. Diese ziehen einfach weiter und setzen sich an anderer Stelle fest.
Das System Assad bröckelt - langsam zwar, aber kontinuierlich. Der Prozess hat jetzt die politische Führungsriege in Damaskus erfasst. Der stellvertretende Ölminister Abdo Hussameldin ist zur Opposition übergelaufen. Er verlasse "das sinkende Schiff", wolle nicht mehr "einem kriminellen Regime dienen". Dass sein Haus nun niedergebrannt, seine Familie verfolgt und Lügen verbreitet würden, nehme er in Kauf, erklärt der Politiker in einem auf Youtube veröffentlichten Video. In erster Linie glaubt Hussameldin wohl nicht mehr, dass das Regime den Aufstand überleben wird, und wechselt deshalb die Seiten. Dass andere Regierungsmitglieder seinem Beispiel folgen werden, ist anzunehmen.
Auf einen Sieg Assads setzt offensichtlich nur noch Russland. Die Regierung in Moskau will ihren ohnedies beschränkten Einfluss in Nahost nicht ganz verlieren und hält daher an Assad fest. Nicht nur, dass die Kreml-Politik dadurch ein wirksames Eingreifen der UNO, das das Blutvergießen stoppen könnte, verhindert. Die Strategie ist außerdem extrem kurzsichtig und riskant: Sollte Assad fallen, werden sich die syrischen Sieger radikal von Moskau ab- und dem Westen, vor allem den USA, zuwenden. Washington prangerte die Untaten Assads von Beginn an an und proklamiert das Ende des syrischen Regimes. Einflussreiche Vertreter der Republikaner fordern sogar Luftangriffe und die Schaffung sicherer Rückzugsgebieten für die Deserteure.
Auf der anderen Seite erhalten die regimetreuen syrischen Einheiten Waffen und taktische Unterstützung aus Russland und dem Iran. Die Gefahr besteht darin, dass sich über lange Zeit ein Kräfte-Gleichgewicht einpendelt und der Aufstand der syrischen Opposition in einen Bürgerkrieg ohne Ende mündet. Es gibt bereits Meldungen, wonach sich Assad mit seinen Truppen und Panzern im Notfall auf das eng begrenzte alawitisch besiedelte Gebiet Syriens zurückziehen und dieses verteidigen will. Die alawitische Minderheit, zu der auch die Assad-Familie gehört, hätte im Fall eines Sieges der Opposition mit dem Schlimmsten zu rechnen und würde sich mit dem Mut der Verzweiflung verteidigen.