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Heftige Kritik der FPÖ am Minister im Pestizide-Streit rund ums Bienensterben.
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Wien. Ganz in Gelb-Schwarz aus Solidarität zu den Bienen präsentierten sich die Grünen (und auch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer) am Dienstag in der von ihnen, FPÖ und BZÖ einberufenen Sondersitzung des Nationalrats zum Thema Bienensterben. Im Schussfeld: Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich, an den die Freiheitlichen eine "Dringliche Anfrage" richteten. Damit wollen sie die Hintergründe seines Stimmverhaltens auf EU-Ebene bezüglich des Einsatzes von Neonicotinoide beinhaltenden Pestiziden, die für Bienen schädlich sein sollen, eruieren. Der Minister hatte ja erst nach einem "Bienen-Gipfel" in der Vorwoche umgeschwenkt und dem EU-Vorschlag, drei konkrete Neonicotinoide für zunächst zwei Jahre zu verbieten, zugestimmt. In der Sondersitzung wurde auch die Vermutung in den Raum gestellt, dass Pestizide-Hersteller Berlakovichs Verhalten durch Zahlungen beeinflusst haben könnten.
Die Opposition forderte den Abgang des Ressortchefs. Die Begründung des Misstrauensantrags von Grünen, FPÖ, BZÖ und Team Stronach, der Dienstag zu Mittag in der Sondersitzung behandelt wurde: Die österreichische Umweltpolitik habe unter Berlakovich einen "tragischen historischen Tiefstand" erreicht. Der Minister habe in seiner Rolle als oberster Umweltschützer in wesentlichen Bereichen versagt und stelle Einzelinteressen über den Schutz der Umwelt und menschlichen Gesundheit.
Zwar segneten alle Fraktionen am Ende der Bienen-Debatte einen - freilich unverbindlichen - von der Koalition eingebrachten Entschließungsantrag ab, der vor allem eine tiefgehende Gift-Diskussion zum Ziel hat. Die Koalition hielt dem Ressortchef allerdings die Stange: Berlakovich bleibt im Amt.
Die "Dringliche Anfrage" hatte FPÖ-Klubchef Heinz-Christian Strache mit den Worten "Wenn die Bienen aussterben, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben" in Richtung "Pestizidminister Berlakovich" eröffnet - im Vorjahr seien allein in Österreich acht Milliarden Bienen Opfer von Neonicotinoiden geworden. Die FPÖ erkennt in Berlakovichs ursprünglicher Gegnerschaft zum Pestizide-Verbot ein "skandalöses Abstimmungsverhalten" und sieht einen Zusammenhang damit, dass die "Giftindustrie" eine Studie ("Melissa") der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit mitfinanziert hat. In dieser habe die Agentur dann letztlich empfohlen, neonicotinoide Wirkstoffe weiter zuzulassen, obwohl ursprünglich Zwischenergebnisse gezeigt hätten, dass deren Einsatz Bienen schade.
Einfluss von Lobbyisten?
Von Berlakovich wollte die FPÖ wissen, was denn tatsächlich sein Abstimmungsverhalten motiviert habe und ob dieses mit anderen Regierungskollegen akkordiert gewesen sei. Und: Ob Lobbyisten speziell aus dem Bereich der Pestizide-Hersteller wie Bayer, BASF und Syngenta Einfluss genommen hätten. Auch Berlakovichs Weigerung, Auskunft über die Mengen der Pestizide-Ausbringung in Österreich zu geben, wurde noch einmal thematisiert.
Berlakovich verteidigte sich gegen die oppositionellen Angriffe. Den Vorwurf, dass Sponsoring seitens der Chemiekonzerne für seine ursprüngliche Ablehnung gegen das Pestizide-Verbot verantwortlich gewesen sei, wies er zurück: "Ich stehe für eine Politik, die Bienen und Bauern gleichermaßen im Fokus hat und beide schützt." Auch dem Bedürfnis der Bevölkerung nach Information hinsichtlich der Verwendung von Pestiziden sei durch die Einbringung einer Novelle des Umweltinformationsgesetzes entsprochen worden. Derzeit sehe er sich durch die Gesetze zur Geheimhaltung verpflichtet.
Hilfsprogramm für Bienen
Für das Verhalten des Ministers zeigte allerdings auch die SPÖ wenig Verständnis und konfrontierte den Koalitionspartner mit Vorwürfen. SPÖ-Klubchef Josef Cap betonte etwa, dass er mit Berlakovichs Hinweis, durch ein Verbot der Pestizide drohe der Einsatz von Gentechnik, nichts anfangen könne: Niemand halte den Minister auf, für ein europaweites Verbot der Gentechnik einzutreten. Dass Berlakovich auf EU-Ebene gegen das Pestizide-Verbot gestimmt hat, sei ihm unerklärlich.
Im Rahmen einer Enquete hatte die SPÖ am Montag für ein Gesamtverbot von Neonicotinoiden plädiert. Wie ernst den Abgeordneten dieses Thema ist, wird sich heute, Mittwoch, im Land- und Forstwirtschaftsausschuss des Nationalrates zeigen. Stehen doch Anträge zu Neonicotinoid-Verboten zur Abstimmung, die über die Teilverbote der EU-Kommission hinausgehen.
Mit einem Verbot der Pestizide allein ist der Schutz der Bienen allerdings nicht gewährleistet - sagt zumindest der Umweltdachverband. Gemeinsam mit dem Imkereidachverband "Biene Österreich" präsentierte er am Dienstag ein Zehn-Punkte-Programm zum Schutz dieser Insekten, das Berlakovich so bald wie möglich unterbreitet werden soll. Neben den Pestiziden zählten vor allem die weitverbreiteten Monokulturen in der Landwirtschaft zu den größten Feinden der Bienen.
Josef Stich, Präsident von "Biene Österreich", bestätigte einen Bericht der Tageszeitung "Kurier", wonach es 2011 Gespräche mit der Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ) bezüglich eines "Koexistenzfonds" gegeben hat. Allerdings sei man weder dem Wunsch der LKÖ nachgekommen, das Bienensterben längere Zeit nicht zu thematisieren, noch seien Gelder geflossen.