Auseinanderdriften der Volkswirtschaften bereitet große Sorge. | Risikoaufschläge bei Staatsanleihen explodieren derzeit. | Verschuldung wird erheblich teurer. | Die Finanzkrise trifft die Länder der Eurozone unterschiedlich hart und wird zur ernsten Belastungsprobe für deren Zusammenhalt: Am deutlichsten manifestiert sich das ökonomische Auseinanderdriften an den Risikoaufschlägen für Staatsanleihen. Mit diesen Schuldtiteln (englisch: government bonds) finanzieren Nationalstaaten große Teile ihrer Haushalte - jedes Ansteigen der Zinsen verteuert das Zurückzahlen der Staatsschulden somit erheblich.
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In der Krise sind nun besonders die Kurse griechischer, irischer, italienischer und spanischer Regierungsbonds unter Druck geraten - die Zinsen schießen unterdessen in astronomische Höhen (Kurs und Rendite entwickeln sich bei Anleihen immer gegenläufig).
Aufschlag verneunfacht
So müssen griechische Papiere mit zehnjähriger Laufzeit mittlerweile bereits mehr als sechs Prozent Zinsen abwerfen, um Käufer zu finden. Anfang 2008 lag die Rendite noch bei nur 4,45 Prozent. Ähnlich verhält es sich mit Schuldtiteln von Irland (5,84 Prozent) und Spanien (4,32 Prozent). Der Vergleich mit deutschen zehnjährigen Bundesanleihen zeigt die Dramatik erst richtig: Diese rentieren mit knapp über drei Prozent. Noch Anfang 2008 waren die Risikoaufschläge für die anderen Länder minimal (siehe Grafik).
Ungeachtet der eigenen gravierenden wirtschaftlichen Probleme ist Deutschland bei europäischen Staatsanleihen nämlich unverändert die Richtschnur: Grund ist neben der weiter bestens bewerteten Bonität vor allem die hohe Liquidität der deutschen Papiere, die es ermöglicht, die dortigen Bundesanleihen jederzeit zu handeln.
Obwohl Österreich als langfristiger Schuldner so wie Deutschland über das beste Bonitätsrating (Triple-A) verfügt, sind verglichen mit dem Nachbarn auch hierzulande die Risikoaufschläge in den letzten Monaten in die Höhe geschossen. Gründe sind der viel kleinere Markt und das Risiko, das im hohen Osteuropa-Engagement der heimischen Wirtschaft gesehen wird. Das Bedienen der Zinsen auf die Staatsverschuldung wird damit für die Republik immer teurer.
Noch Anfang 2008 musste Österreich nur 0,1 Prozent Zinsaufschlag verglichen mit Deutschland zahlen. Derzeit liegt die Differenz schon bei 0,9 Prozent. Und die Schere könnte weiter aufgehen: Zinsexperte Michael Rottmann erwartet, dass die Differenz auf 1,2 Prozentpunkte klettern könnte (siehe Interview).
Die hohen Zinsenlasten bedeuten, dass es gerade für Länder wie Griechenland oder Italien, die ohnehin eine angespannte Finanzlage aufweisen, immer schwieriger wird, die Schulden zu finanzieren. Die einst gern gepflogene Gewohnheit, die eigene Währung abzuwerten, Zinsen zu senken oder die Notenpresse anzuwerfen und sich auf diesem Weg der drückenden Schuldenlast zu entledigen, existiert aufgrund der Euro-Bindung nicht mehr. Mittlerweile wird sogar bereits auf ein Ausscheiden einzelner Mitgliedsländer aus dem Eurosystem spekuliert.
"Im Fall eines Euro-Ausstiegs müsste ein Land Bankrott anmelden, sein Bankensystem würde in die Brüche gehen", erklärt UBS-Ökonom Paul Donovan.
Der Vertrag von Maastricht sieht zwar selbst bei einer Insolvenz eines Euro-Landes keine Verpflichtung für die anderen Mitglieder vor, dieses aufzufangen. Allerdings wären die Folgen sowohl für das einzelne Land als auch den Währungsraum unabsehbar.
Lösung Europa-Bonds?
Je größer die Kluft, umso dringlicher wird die Idee von europäischen Gemeinschaftsanleihen. Der spanische EU-Währungskommissar Joaquín Almunia steht einem gemeinsamen Eurobond offen gegenüber.
Ende Jänner soll in Brüssel ein Treffen stattfinden, bei dem die Schaffung einer europäischen Schuldenagentur erwogen wird. Die nationalen Agenturen sollen dem EU-Finanzausschuss ein Konzept präsentieren. Eine harte Probe für die Euro-Solidarität: In finanzstarken Ländern wie Deutschland stößt diese Idee nämlich auf wenig Gegenliebe. Für Berlin würden sich die Refinanzierungskonditionen deutlich verschlechtern.
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