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Zerschlagen von Banken kein Tabu

Von Stefan Janny

Reflexionen
"Für mich ist auch der Gedanke zulässig, dass einzelne Institute aus dem Markt genommen werden, indem Unternehmensteile einzeln abgestoßen werden", sagt der Chef der größten heimischen Bank.Foto: R. Newald

Filetieren "kann auch gewisse Vorteile haben". | Für eine gesetzlich fixe Obergrenze für Österreichs Budgetdefizit. | Bei raschem Handeln wäre Schutzschirm für Griechenland billiger und effizienter gewesen. | "Wiener Zeitung": Sie haben kürzlich gesagt, die Österreicher müssten wegen der Aneinanderreihung von Problemfällen bei Banken aufpassen, aus europäischer Sicht nicht zu Schmuddelkindern zu werden. Wie angeschlagen ist der österreichische Finanzplatz bereits?


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Willibald Cernko: Vielleicht neige ich gelegentlich zu etwas kräftigeren Formulierungen und bin da sicherlich unter dem Eindruck der Vorgänge rund um die Hypo Alpe Adria gestanden. Ich glaube aber dessen ungeachtet, dass wir in Summe immer noch in einer recht guten Situation sind. Aber wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass unter den heimischen Banken unbestrittenermaßen eine weitere Konsolidierung notwendig ist. Das betrifft nicht nur die Hypo Alpe Adria, sondern auch andere Mitbewerber wie die Volksbanken-Gruppe.

Die Konsolidierung scheint jedoch zu stocken. Zwischen Volksbank AG und Bawag kommt es jedenfalls zu keinem Zusammenschluss.

Im Detail will ich das nicht beurteilen, aber ich bin überzeugt, dass zur Gesundung, Stärkung und größeren Stabilität des heimischen Finanzsystems eine weitere Konsolidierung unbedingt nötig ist und auch stattfinden wird.

Ein Konsolidierungsprozess, den die Bank Austria nur als interessierter Beobachter verfolgen wird?

Wir werden das natürlich beobachten, aber nicht eingreifen. Wir sind in den letzten 20 Jahren ja selbst durch einen intensiven Konsolidierungsprozess gegangen und sind heute gut aufgestellt. Wir sehen uns da nicht in einer gestaltenden Rolle.

Aber wenn es zu einer Konsolidierung kommen soll, muss es Institute geben, die zusammengehen. Solche Kombinationen sind im Augenblick aber nicht zu sehen.

Ich gebe Ihnen recht: Die Nachfrage scheint verhalten. Konsolidierung heißt aber nicht nur, dass bestehende Einheiten vollständig übernommen oder fusioniert werden. Für mich ist auch der Gedanke zulässig, dass einzelne Institute aus dem Markt genommen werden, indem Unternehmensteile einzeln abgestoßen werden.

Eine weniger schöne Bezeichnung dafür, dass mehrere Marktteilnehmer ein Institut untereinander aufteilen, wäre Filetierung.

Man sollte das nicht ausschließen. Diese Variante kann auch gewisse Vorteile haben.

Wäre die Bank Austria an Teilen der Hypo Alpe Adria oder der Volksbank AG interessiert?

Nein, auch das nicht. Wir sind hier ausschließlich in einer Beobachterrolle. Wir sind im Firmenkundengeschäft sehr stark aufgestellt, wir sind im Wiener Raum sehr präsent und in Mittelosteuropa. Daher gibt es für uns keine Notwendigkeit, von der Strategie des organischen Wachstums abzuweichen. Für andere kann ich mir allerdings durchaus vorstellen, dass gewisses Interesse besteht, den einen oder anderen Baustein hinzuzufügen.

Zurück zum Thema Schmuddelkinder: Teilen Sie die Ansicht des Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann, dass Griechenland seine Staatsschulden auf Dauer vermutlich nicht ordnungsgemäß bedienen können wird?

Ich sehe das grundsätzlicher und glaube, dass man nicht nur Griechenland im Auge haben sollte. Ein Land herauszupicken und zu prognostizieren, wie die Entwicklung sein wird, ist für mich zu kurz gegriffen. Alle europäischen Staaten sind gefordert, extreme Haushaltsdisziplin zu zeigen und gleichzeitig Wachstumsimpulse zu setzen. Alle müssen sparen, aber sparen alleine wäre zu wenig. Man braucht auch positiven Stimulus. Da ist kein Land ausgenommen.

Wie aus München zu hören ist, scheint Ihr Kollege Theo Weimar, der Chef Ihrer Schwesterbank HVB, Ackermanns Ansicht, dass Griechenland um eine Umschuldung wohl nicht herumkommen wird, allerdings sehr wohl zu teilen.

Ich sitze in Wien und will das nicht kommentieren. Was ich jedoch deutlich vermisse, ist ein koordiniertes gesamteuropäisches Herangehen an diese Themen. Hier wird viel zu unkoordiniert vorgegangen. Hektische, unkoordinierte Einzelschritte bewirken womöglich das Gegenteil dessen, was man bezweckt. Die existierenden europäischen Institutionen und Gremien reichen offensichtlich nicht aus oder werden nicht ausreichend genutzt.

Unkoordiniert war vor allem das von der deutschen Regierung erlassene Verbot ungedeckter Leerverkäufe von europäischen Staatsanleihen und deutschen Bankaktien. Der Rest, vor allem der 750-Milliarden-Schutzschirm für Griechenland, waren koordinierte europäische Maßnahmen.

Da geht es nicht nur um die jüngste Einzelmaßnahme der deutschen Regierung. Ich glaube aber, dass diese Herausforderungen mit nationalstaatlichen Maßnahmen nicht zu bewältigen sind. Europa hat in Krisensituationen immer sehr lange gebraucht, bis man eine gemeinsame Position gefunden hat. Das war auch diesmal so. Der Beschluss über die Griechenlandhilfe wurde durch die Wahl in Nordrhein-Westfalen verzögert.

Was wäre passiert, hätte man sofort reagiert? Um wie viel wäre das billiger geworden? Um einige hundert Basispunkte. Und es wäre ein sehr starkes Signal in Richtung Portugal gewesen, hätte Europa sofort und konsequent gehandelt. Diese 14 Tage Verzögerung haben Geld gekostet und Fragen aufgeworfen, wie entschlossen Europa wirklich ist.

Also ist Deutschland schuld an der gegenwärtigen Situation?

Nein, das wäre zu kurz gegriffen. Es stellt sich aber die Frage, wie leistungsfähig Europas Strukturen sind. Und für mich zeigt sich eindeutig, dass Europa über eine gemeinsame Geldpolitik hinaus auch eine gemeinsame Wirtschafts- und Sozialpolitik braucht.

Diese Forderung hat auf absehbare Zeit allerdings keine realistische Chance auf politische Durch- beziehungsweise Umsetzbarkeit.

Das ist schon richtig. Das wird noch einige Zeit brauchen, weil vor allem die großen Staaten mit gutem Beispiel vorangehen und ein Stück ihre Autonomie abgeben müssen.

Aber auch die kleineren Staaten wie Österreich müssten genauso Kompetenzen abgeben. Und auch da ist es wegen der politischen Verhältnisse und der Stimmung in der Bevölkerung derzeit völlig unrealistisch, weitere wesentliche Kompetenzen nach Brüssel abzugeben.

Vor zwei, drei Jahren war die Europaskepsis in Österreich noch wesentlich größer. Als dann die Krise so richtig spürbar wurde, ist auch die Akzeptanz für dieses gemeinsame Europa deutlich gestiegen. Da ich überzeugt bin, dass diese Krise noch längst nicht ausgestanden ist und wir uns noch auf einige Jahre einer eher instabilen Seitwärtsbewegung einstellen müssen, brauchen wir, um das erfolgreich zu bewältigen, ein koordiniertes europäisches Vorgehen, für das wir auch bereit sein müssen, nationalstaatliche Selbständigkeiten teilweise zurückzunehmen.

Anders ausgedrückt: Die EU- oder Euro-Mitgliedstaaten müssten ihre Budgethoheit abgeben.

Am Ende des Tages werden wir sehen, was die österreichische Regierung bei der Begrenzung der Ausgabenpolitik und der Budgetdefizite unternimmt. Fest steht, dass wir uns einschränken werden müssen. Es werden harte Einschnitte notwendig sein. Ein gesetzlicher Rahmen, der Obergrenzen für das Budgetdefizit festlegt, könnte da durchaus sinnvoll sein.

In Deutschland gibt es ein solches Gesetz bereits.

Das ist durchaus ein Vorbild, an das man sich halten kann. Ich würde es begrüßen, wenn auch in Österreich gesetzlich festgelegt wird, welcher Ausgabenrahmen nicht überschritten werden darf. Wiewohl das Match mit Sparen alleine nicht zu gewinnen ist. Wir dürfen dieses zarte Konjunkturpflänzchen jetzt nicht völlig plattfahren und müssen bestimmte Bereiche wie Bildung und Forschung, die besondere Zukunfts- oder Beschäftigungswirksamkeit haben, von den Sparmaßnahmen ausnehmen. Um das zu finanzieren, müssen wir an anderer Stelle umso mehr sparen.

Wo konkret kann gespart werden?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Auch wenn es durchaus angenehm ist, dass wir eine so gut funktionierende Verwaltung haben, werden wir sie uns auf Dauer nicht leisten können. Wir werden hier Kapazitäten und Angebote massiv zurücknehmen müssen.

Sehr populär dürfte eine solche Forderung nach einer Verwaltungsreform, die auch Qualitäts- oder Komforteinbußen mit sich bringen kann, allerdings nicht sein.

Das bringt auch Kollateralschäden mit sich - keine Frage. Aber es ist notwendig. Warum soll der Staat nicht ähnliche Effizienzsteigerungsprozesse durchlaufen wie Unternehmen? Wenn eine Firma Einsparungen vorantreibt, geht das manchmal auch zu Lasten der Qualität. Wir sollen uns da nicht in den Sack lügen. Da und dort reibt es sich dann, das ist ein Faktum. Aber letztlich führt daran kein Weg vorbei.

Eine grundlegende Verwaltungsreform wird bereits seit Jahrzehnten gefordert. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie stattfinden wird, ist allerdings minimal.

Ich glaube, man sollte eine einen neuen Arbeitstitel finden, denn der Begriff Verwaltungsreform ist ja beinahe schon ein Synonym für den Misserfolg. Es wird jedenfalls nur dann klappen, wenn der Druck so groß wird, dass an dem Thema nicht mehr vorbeizugehen ist.

Groß genug wird der Druck aber vermutlich erst, wenn sich Österreich in einer ähnlichen Situation wie Griechenland befindet.

Nein, denn wir sehen und wir lernen ja jetzt an diesem Beispiel, was es heißt, nicht rechtzeitig zu handeln. Die Spekulanten können jedenfalls nichts für das Defizit und die Verschuldung Griechenlands. Die Verantwortung ist bei den Menschen und den politischen Entscheidungsträgern in den jeweiligen Ländern zu suchen. Wir lenken nur vom eigentlichen Thema ab, wenn wir das alles den Spekulanten anlasten. Das ist ein hausgemachtes Haushaltsproblem der Griechen, der Portugiesen und der Spanier. Und auch wir dürfen da, obwohl wir noch relativ gut dastehen, die Augen nicht verschließen.

Haben Sie in Ihrer Aufzählung der Haushaltsünder Italien deshalb ausgelassen, weil die Bank Austria einen italienischen Eigentümer hat?

Cernko: Das war reiner Zufall.

Um Staatshaushalte zu sanieren, werden neben Sparmaßnahmen vermutlich auch zusätzliche Einnahmen notwendig sein. Angela Merkel und Werner Faymann fordern nun vehement eine Finanztransaktionssteuer und wollen diese, wenn es keinen internationalen Konsens gibt, gegebenenfalls auch regional einführen.

Zum Thema Transaktionssteuer habe ich keine große Befindlichkeit. Wenn man das auf internationaler Ebene einführen will und kann, dann wird man es tun.

Und wenn es nur in Europa geschieht?

Das wäre die zweitbeste Lösung. Man muss sich allerdings die Frage stellen, wie weit Europa gedient wäre. Denn da gibt es dann für Marktteilnehmer zweifelsohne ausreichend Möglichkeiten, Europa zumindest in einem gewissen Ausmaß zu umgehen. Aber bei einem gemeinsamen internationalen oder zumindest europäischen Vorgehen betrachte ich das ohne besondere Emotionen.

Weil es dann alle Wettbewerber gleichermaßen trifft. Was wäre aber, wenn eine solche Steuer nur in Österreich und ein paar anderen Ländern eingeführt wird?Da müsste man sich schon die Frage stellen, wie nachteilig sich das dann für den Standort Österreich auswirkt.

Eine weitere Einnahmenquelle für das Bundesbudget soll die Bankenabgabe sein, über die nun schon recht lange verhandelt wird. Lässt sich bereits absehen, welches Bemessungssystem gewählt werden wird?

Deutschland hat sich für eine Sicherungsfonds-Lösung entschieden, die ich persönlich für wesentlich sinnvoller halte. Österreich zeigt eine deutliche Präferenz, dass die Einnahmen in das Budget fließen sollen. Wir haben vereinbart, dass eine Arbeitsgruppe unter Federführung der Notenbank sich mit dem Thema Belastbarkeit des Systems beschäftigt, während sich die zweite Arbeitsgruppe unter Federführung des Ministeriums mit den Bemessungsgrundlagen beschäftigt.

Faktum ist, dass unterm Strich 500 Millionen Euro rauskommen müssen.

So ist es der politische Wille. Aber ich erlaube mir diesbezüglich nach Deutschland zu blicken, wo pro Jahr 1,2 Milliarden Euro in den Sicherungstopf einbezahlt werden sollen. Auf Österreich übertragen wären das eigentlich nur 170 Millionen. Und ich glaube, wir sollten hier punkto Standortattraktivität eine gewisse Sensibilität zeigen.

Es ist aber wohl nicht ganz realistisch, dass der Bundeskanzler seine Forderungen so drastisch reduziert...

Nochmals: Ich verstehe das Thema und kann den Wunsch nachvollziehen, dass wir unseren Beitrag leisten sollen. Die Frage ist nur, wie umfangreich, wie heftig, wie belastend dieser Beitrag wird. Wir müssen auch andere Dinge wie die geforderte Stärkung der Eigenkapitalbasis, wie Basel III berücksichtigen. Derzeit gibt es, was politisch verständlich ist, einen riesengroßen und langen Wunschkatalog. Am Ende muss man sich aber die Frage stellen, wie belastbar das System ist, und wo innerhalb dieser Belastbarkeitsgrenzen die Prioritäten gesetzt werden. Wir werden unseren Beitrag leisten, aber ich muss dafür kämpfen, dass die richtigen Prioritäten gesetzt werden, die uns mittel- und langfristig die Chance geben, die Unternehmen und Haushalte auch weiterhin mit Krediten zu versorgen.

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+++ Zur Person

Willibald Cernko wurde am 7. Juli 1956 in der Steiermark geboren, maturierte an einer Handelsakademie und besuchte die Exportakademie an der Wirtschaftsuniversität. Seine berufliche Karriere als Banker startete Cernko 1985 bei der Raiffeisenkasse Obdach-Weißenkirchen.

Nach zwei Jahren wechselte er zur damaligen Creditanstalt, wo er im Firmenkundengeschäft tätig war. 1998 übernahm er die Leitung dieses Bereichs.

2000 wurde Cernko zum Bereichsvorstand Firmenkunden in der Bank Austria berufen. 2002 rückte er in den Vorstand der fusionierten Bank Austria Creditanstalt auf, wo er vorerst das Geschäftsfeld Zentral- und Osteuropa und dann ab 2003 die Ressorts Firmenkunden, Privat- und Geschäftskunden sowie das Asset Management verantwortete.

Ab 2006 gehörte Cernko zudem dem Vorstand der HypoVereinsbank (HVB) an, wo er für Privat und Geschäftskunden verantwortlich war. 2008 war er als Vice President der UniCredit Group tätig und zuständig für das Retail-Geschäft in Deutschland und Österreich. Ab Jänner 2009 gehörte er neuerlich dem Vorstand der HVB an. Seit Oktober 2009 ist Cernko Vorstandschef der Bank Austria.