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Am Sonntag fanden in Senegal vorgezogenen Neuwahlen statt. Die ersten Ergebnisse erfahren die 10 Millionen Senegalesen - 2,6 Millionen sind wahlberechtigt - aber frühestens am heutigen Montag. Die Spannung ist groß: Staatschef Abdoulaye Wade von der Demokratischen Partei (PDS) hofft, mit dem Urnengang im Parlament eine solide Machtbasis für sein Koalitionsbündnis "Sopi" zu bekommen.
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"Wer Präsident Wade im Parlament keine Mehrheit verschafft, verlängert die Instabilität", warnte Idrissa Seck, führender PDS-Kandidat, in der Vorwoche bei einer Wahlkampfveranstaltung vor einer neuerlichen Dominanz der Sozialistischen Partei.
Im März des Vorjahres hatte Wade mit seinem Sieg über Abdou Diouf zwar die 40-jährige Herrschaft der Sozialisten gebrochen, in der Nationalversammlung, die bisher 140 Sitze umfasste, hielt die SPS von Ousmane Tanor Dieng mit 93 Mandaten aber immer noch die absolute Mehrheit. Wade löste deshalb am 16. Februar das Parlament auf. Ein Sieg, so sah es damals aus, wäre seiner "Sopi"-Allianz (zu deutsch "Veränderung") gewiss.
Doch mittlerweile haben sich in der Acht-Parteien-Koalition erste Risse gebildet. Moustapha Niasse, dessen Wahlempfehlung Wade in der Stichwahl gegen Diouf erst den Sieg ermöglicht hatte und aus Dank zum Premierminister gekürt wurde, ging nur Monate später auf Distanz zu Wade und überwarf sich schließlich mit ihm. Als er den autokratischen Stil Wades bekritelte und in als eine "Gefahr für das Land" bezeichnete, schmiss ihn der Präsident kurzer Hand aus dem Kabinett. Nachfolgerin wurde im März die parteilose Justizministerin Mame Madior Boye. Gestern trat Niasse mit seiner "Allianz der Kräfte des Fortschritts" gegen die PDS-demonierte Koalition an. Sollte ihm ein respektables Ergebnis gelungen sein, könnte er bei den kommenden Koalitionsverhandlungen das Zünglein an der Waage spielen. Bei den letzten Parlamentswahlen im Mai 1998 hatte seine Partei acht Parlamentssitze errungen und bei der Prädientenwahl 2000 landete Niasse immerhin auf Platz Drei.
Grund für den Bruch mit Wade zum Jahresbeginn war vor allem dessen - gebrochenes - Versprechen, in einer Verfassungrevision auch die Macht des Staatschefs einzuschränken.
Ursprünglich hatten die Koalitionspartner vereinbart, nach Wades Wahl das Präsidialsystem zu Gunsten eines rein parlamentarischen Systems abzuschaffen, in dem sich der Präsident nur noch auf repräsentative Aufgaben beschränkt und die Macht beim Reigeurngschef liegt. Wade aber hatte dies in sprichwörtlich letzter Minute mit der Begründung abgelehnt, Senegal sei noch "nicht reif" für ein solches System.
In der "Verfassungsreform light", die Wade am 7. Jänner in einem Referendum absegnen ließ und dafür 92 Prozent Zustimmung erhielt, wird stattdessen nur die Amtszeit des Staatsoberhauptes von sieben auf fünf Jahre beschränkt und im Parlament werden künftig nur mehr 120 Abgeordnete sitzen. Bei den gestriggen Wahlen wurde erstmals nach der neuen Verfassung gewählt.
Senegal gilt mittlerweile als afrikanischer Musterschüler: Das politische System ist stabil, die Wirtschaft wächst, und auch in punkto Medienfreiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zählt das Land zur Extraklasse. Das war nicht immer so: In den Sechsziger-, Siebziger und Achzigerjahren herrschte ein streng autokratisches System. Wade selbst saß wegen politischer Äußerungen wiederholt im Gefängnis. Die PDS gründete er 1974. Der Rückzug Abdou Dioufs und der friedliche Machtwechsel nach dem Sieg Wades in der Stichwahl gelten als Bestätigung für die politische Reife. Selten findet nach vier Dekaden Alleinregierung in Afrika ein derert friedlicher Machttransfer statt. Seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1960 hatten die Sozialisten ohne Unterbrechung die Macht inne. Diouf stand seit 1981 an der Spitze des Staates.
Bei den Parlamentswahlen am Sonntag bewarben sich 25 Pareien um die 120 Sitze der Nationalversammlung. Umfragen über einen möglichen Wahlausgang gab es keine. Auch das Abschneiden der PDS, die 1998 23 Mandate errang, ist kaum vorhersehbar.