Strafprozess um Schutzgeld-Erpressung wird unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen fortgesetzt.
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Wien. Vermummte Polizisten der Spezialeinheit Cobra begleiten den Zeugen in den Gerichtssaal. Sie tragen dicke, kugelsichere Westen, in der Hand halten sie ihr Sturmgewehr. Gemeinsam mit zahlreichen Beamten des Spezialkommandos der Justizwache, der sogenannten Einsatzgruppe, sichern die Polizisten den Gerichtssaal. Ein Justizwachebeamter nimmt nahe dem Zeugen Platz. Eine Hand legt er auf den Pistolengriff. Zur Sicherheit. Denn laut Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) soll der Zeuge eingeschüchtert und unter Druck gesetzt worden sein, sogar ein "Kopfgeld" von 250.000 Euro sei auf ihn ausgelobt worden.
Jemand wolle im Gerichtssaal eine Waffe ziehen und den Zeugen "erledigen", soll das BKA gerüchteweise erfahren haben. Als die schwerbewaffneten Polizisten den Zeugen - der ebenfalls eine schusssichere Weste trägt - in den stickigen, heißen und vollen Gerichtssaal eskortieren, ist die Stimmung denkbar angespannt.
Der Mann ist einer der Hauptbelastungszeugen in einem Strafprozess um eine mutmaßliche kriminelle Vereinigung, die in Wien laut Staatsanwaltschaft unter anderem Schutzgeld von einem Lokal in Ottakring erpresst haben soll. Bereits im Ermittlungsverfahren hatte der Zeuge die insgesamt sieben Angeklagten belastet. Am Dienstag sagte er vor einem Schöffensenat des Wiener Straflandesgerichts aus.
Im Juni 2014 sei er nach Wien gekommen, erzählte der 38-jährige Serbe, der angibt, eigentlich "Profi-Dachdecker" zu sein. In Wien habe er anfangs aber keine Arbeit gefunden.
"Ich kann nicht mehr"
Dann habe er als Türsteher in einem Lokal angeheuert, dessen Inhaber von der Gruppe erpresst worden sein sollen. "Ich kann nicht mehr. Entweder ich bringe mich um oder ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Diese Leute nehmen mir seit fast zwei Jahren das Geld weg", habe einer der Lokal-Chefs zu ihm gesagt.
"Das sind Leute, die ganz Ottakring in den Händen halten", habe man ihm zudem erzählt. Alle Lokale auf der Ottakringer Straße hätte die Bande erpressen wollen, gab der 38-Jährige an. Schließlich soll er sich der angeblichen Bande angeschlossen haben.
Im August 2016 wurde er wegen seiner Beteiligung an den Erpressungen - nicht rechtskräftig - in einem separat gegen ihn geführten Verfahren zu drei Jahren teilbedingter Haft verurteilt.
Seine Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden wurde bei der Strafbemessung als Milderungsgrund gewertet. Derzeit befindet er sich in Haft. "Was war Ihre Beteiligung? Welche Aufgaben hatten Sie?", fragte der vorsitzende Richter Michael Tolstiuk den Zeugen. Er sei der Türsteher gewesen und sei bei der Erpressung des Lokalchefs beteiligt gewesen, räumte der 38-Jährige ein.
Während der Vernehmung der Zeugen grinste der Viertangeklagte mehrmals. "Was ist so lustig? Warum müssen Sie da lachen?", fragte Tolstiuk nach. Was der Zeuge erzähle, sei alles eine Lüge, antwortete der Angeklagte. Er möge bitte mit dem Grinsen aufhören, wies ihn den Richter an.
Polizisten mit Sturmgewehren
Dass man es mit der Sicherheit sehr genau nahm, zeigte sich auch außerhalb des Gerichtssaals. Wega-Polizisten patrouillierten mit Gewehren in den Gängen. Wer in den Verhandlungssaal wollte, musste zudem durch einen davor aufgebauten Metalldetektor schreiten. Die Strafsache wird sich noch einige Zeit hinziehen: Ein Urteil soll erst im Frühjahr 2017 fallen.