Experten räumen einem chinesischen Wirtschaftsexperten gute Chancen ein, Chef des Internationalen Währungsfonds zu werden. Für Europa wäre das ein Rückschlag.
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Es ist fast so, als würde man darüber diskutieren, einen Imam zum Papst zu machen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist für viele so etwas wie der Tempel des globalen Kapitalismus. Dessen Chef könnte schon bald der Vertreter eines kommunistischen Regimes sein. Insider attestieren Zhu Min, einem der großen chinesischen Wirtschaftsexperten, dafür gute Chancen zu haben.
Im Moment steht der UN-Aufsichtsbehörde über das globale Finanzsystem der Franzose Dominique Strauss-Kahn vor. Doch der wäre lieber Präsident der Grande Nation. Zwar hat er betont, dass er IWF-Chef bleiben will und eine zweite Amtszeit anstrebt. Allerdings hat er auch erklärt, dass er bereit wäre, diese Position unter bestimmten Umständen zu überdenken. Im Klartext: Sollten ihn Frankreichs Sozialisten als Kandidaten für die Wahl 2012 aufstellen, wäre Strauss-Kahn bereit, sein Amt beim IWF frühzeitig zurückzulegen.
Zhu hat den vollen Rückhalt der kommunistischen Führung in Peking, die ihren Exponenten sicher gerne an der Spitze des Währungsfonds sähe. Der Shanghaier war Generaldirektor der Bank von China und Vizegouverneur der chinesischen Zentralbank. Im Februar 2010 wurde er zum "Spezial-Berater" Strauss-Kahns ernannt - ein Posten, der extra für ihn geschaffen wurde. Die offizielle Postenbeschreibung sieht vor, dass er das Verständnis des Fonds für Asien stärken soll.
Zhu bringt eine solide wirtschaftliche Ausbildung in den IWF ein. Nach seinem Wirtschaftsstudium an der Fundan-Universität in Shanghai machte er seinen Master an der amerikanischen Edel-Kaderschmiede Princeton und streute darüber noch ein Doktorat an der renommierten konservativen Johns Hopkins Universität. Noch während seines Studiums in Princeton war er Referent bei der Weltbank.
Diese Ausbildung hindert den 59-Jährigen natürlich nicht, mit Peking auf Linie zu sein. Kritiker werfen ihm vor, Interessen zu vertreten, die klar im Gegensatz zu Positionen des IWF stehen. So etwa, wenn es um den Streit des Fonds mit China über die künstliche Stabilisierung des Yuan geht. Ob ihm das auf dem Weg an die IWF-Spitze hinderlich sein wird, bleibt abzuwarten.
Analysten glauben, dass es bei der Postenbesetzung ohnedies vordergründig darum gehen wird, ob sich die chinesische Regierung durchsetzen kann. Mit Zhu auf dem Chefsessel hätte sie die Kontrolle über eine der wichtigsten Finanzbehörden der Welt. "Wer zahlt, schafft an", ist salopp gesprochen ein Credo des IWF, der Staaten nur dann seine begehrten Kredite gibt, wenn diese bereit sind, seine Konditionen zu erfüllen. Diese Devise könnte nun China für sich beanspruchen, das einen wesentlichen (finanziellen) Beitrag für den Fonds leistet.
Unabhängig davon, ob Zhu schließlich geschäftsführender Direktor des IWF wird, oder - wie manch andere Stimme vermutet - "nur" dessen Vize: Die Spekulationen zeigen deutlich, wie sehr sich das politisch-ökonomische Gewicht auf der Welt verlagert hat. Denn einem ungeschriebenen Gesetz zufolge stand dem Währungsfonds bisher stets ein Europäer vor, während der Chef der Weltbank stets aus den USA kam.