Zum Hauptinhalt springen

Zieht er immer noch die Fäden?

Von WZ-Korrespondent Julius Müller-Meiningen

Politik

Italiens Ex-Premier wird 86 und gibt sich als künftiger Mediator einer Rechts-Allianz.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Am 25. September sind Wahlen in Italien. In den Sommer-Talk-Shows werden blumige Wahlversprechen gegeben. Man könnte nun meinen, Silvio Berlusconi, der viermalige Ministerpräsident und einst große Zampano der italienischen Politik, würde sein Medien-Imperium Mediaset nutzen, um Stimmung für sich und gegen die Konkurrenz zu machen. Denn Silvio will es wieder einmal wissen, mit bald 86 Jahren. Die Mediaset-Talkshows spielen dabei natürlich auch eine Rolle, da aber immer weniger Menschen fernsehen, mutiert auch der "Cavaliere" noch einmal auf seine alten Tage.

Typische Späße via TikTok

Soeben kündigte der Forza-Italia-Chef an, ab sofort auch auf der bei den Jüngeren so beliebten Social-Media-Plattform TikTok mit kleinen Filmchen präsent zu sein. Auf TikTok findet man Berlusconi natürlich schon längst, weil andere Nutzer Videos von ihm gepostet haben. So beispielsweise neulich beim Spaziergang mit seiner 32 Jahre alten Freundin Marta Fascina. Bei der zufälligen Begegnung mit Jugendlichen witzelte der Ex-Premier: "Seid anständig - und benutzt Präservative!" Die Lacher hatte er damit auf seiner Seite.

In einem der jüngsten Werbefilme für sich und Forza Italia baute Berlusconi erneut einen Kalauer ein. Wer einverstanden sei, dass mehr Ressourcen für die Sicherheit eingesetzt werden sollen, der möge am 25. September "die kommunistische Partei" wählen. Berlusconi tat dann so, als habe er sich versprochen. Noch ein Lacher.

Den Kandidaten seiner Partei sind solche Späße nicht gestattet. Wie "La Stampa" herausfand, wurden sie mit einem Handbuch auf den Wahlkampf eingestimmt, in dem Dinge stehen wie: die sozialen Netzwerke nutzen, morgens, mittags und abends; Meinungsführer wie Ärzte, Lehrer und Journalisten ausfindig machen und beeinflussen; den Wählern immer in die Augen schauen und immer ans Telefon gehen; nicht über die Umfragen sprechen, die dass Mitte-rechts-Bündnis mit Forza Italia im Vorteil sehen, da die Zögerlichen sonst keine Motivation hätten zur Wahl zu gehen; und im Zweifel: Silvio Berlusconi als Leader und Gründer des Bündnisses hervorheben. Das alles ganz im Ernst.

Mehr als Bunga-Bunga-Nächte

Auch wenn viele ihn immer noch als Skandal-Nudel der Bunga-Bunga-Nächte in Erinnerung haben, Berlusconi ist wesentlich mehr als das. Der CSU-Politiker Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der Europäuschen Volkspartei im EU-Parlament, unterstützte im Januar Berlusconis Kandidatur als Staatspräsident und bezeichnete ihn als "starken Leader von Mitte-rechts". Weber will an diesem Mittwoch in Rom mit Forza-Italia-Koordinator Antonio Tajani für Berlusconi werben, dessen Partei nach diesen Wahlen tatsächlich eine wichtige Rolle als Mediator zwischen den rechtsextremen Kräften von Fratelli d’Italia (FdI) und Lega einnehmen könnte.

In der 1994 gegründeten und seit jeher auf ihren Führer zugeschnittenen Partei wird man nicht müde zu betonen, wie sehr Forza Italia "in atlantischen und proeuropäischen Positionen verankert" sei. Dass Berlusconi eine enge Freundschaft mit Russlands Präsident Wladimir Putin pflegte, wird derzeit lieber verschwiegen.

Die Kräfteverhältnisse in der Mitte-rechts-Allianz, die angesichts der neofaschistischen Vergangenheit vieler FdI-Politiker und der teilweise rechtsextremen Positionen der Lega vielmehr eine Rechts-Allianz ist, sind deutlich. FdI-Chefin Giorgia Meloni schickt sich angesichts der Umfragen an, erste Ministerpräsidentin Italiens zu werden. Lega-Chef und Ex-Innenminister Matteo Salvini hofft wohl vergeblich noch auf ein Überholmanöver.

Berlusconis Forza Italia kann derzeit mit rund sieben Prozent der Stimmen rechnen. Und doch lud der Ex-Premier die Partner seiner späteren Wahlallianz Ende Juli in seine neue römische Residenz "Villa Grande" ein, in der wohl der Sturz der Regierung Mario Draghis beschlossen wurde.

Kamen die Partner mit ihrem Besuch einem alten Mann entgegen oder zieht er in Wirklichkeit immer noch die Fäden? Giorgia Meloni jedenfalls fand, dass mit den Polit-Empfängen bei Berlusconi zuhause endlich Schluss sein müsse. Die Reibereien zeugen vom politischen Gewicht der Akteure und den Bemühungen, es zu verschieben. Nun ist oft die Rede davon, Forza Italia habe mit dem Sturz Draghis selbst einen Rechtsruck hingelegt. Drei bekannte Minister und Berlusconi-Getreue wie Renato Brunetta, Mariastella Gelmini sowie Mara Carfagna verließen die Partei und kandidieren nun für eine kleine, terzo polo (dritter Pol) genannte Zentrums-Allianz, in der auch Ex-Premier Matteo Renzi vertreten ist.

Comeback durch die Vordertür

Forza Italias angeblicher Rechtskurs ist wohl eher ein Streben nach Macht Berlusconis. In Draghis Vielparteien-Regierung war seine Kraft eine unter vielen. Im rechten Dreier-Bündnis wird sein Gewicht wieder größer sein.

Was Berlusconi von Meloni und Salvini für den Sturz Draghis politisch versprochen wurde, darüber gibt es nur Spekulationen. Die Rede war vom zweiten Amt im Staat, dem Vorsitz im Senat. Bislang ist allerdings nur klar, dass Berlusconi wieder für diese Kammer kandidieren wird. Er tritt im Wahlkreis Monza, dem Sitz seiner Familienvilla in Arcore bei Mailand an.

2013 hatten ihn die Senatoren wegen seiner Verurteilung zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs aus der Kammer ausgeschlossen. Sein Ämterverbot fiel erst 2019. Seine Strafe verbüßte Berlusconi damals im Sozialdienst. Die Wahlen sollen auch ein römisches Comeback des Ex-Premiers sein, nicht mehr nur in den Hinterzimmern, sondern ganz offiziell durch die Vordertür.