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Ziemlich ernste Sache

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Der nächste Politiker, für den die Unschuldsvermutung gilt, ist also Ernst Strasser. Wer eigentlich hält dessen fürwahr abenteuerliche Rechtfertigung für möglich, er habe sich nur deshalb als Lobbyist einspannen lassen, um als "Spycatcher" in die Annalen des EU-Parlaments einzugehen? Und was sagen nun seine - von ihm selbst genannten - fünf weiteren "Kunden"? Hat er auch sie nur ausspioniert?


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Nein, seine Rechtfertigung taugt nicht viel, politisch ist sie ohnehin schon am Sonntag von seinem Parteiobmann gewogen und für zu leicht befunden worden.

Strasser wird seine kuriose Verteidigungsstrategie nun der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf und der heimischen Staatsanwaltschaft zu erklären haben. Wer allerdings einen immensen Rechtfertigungsbedarf bekommen wird, ist das Europäische Parlament. Der Fall Strasser sowie die ebenfalls ins Netz der Undercover-Journalisten gegangenen Abgeordneten aus Rumänien und Slowenien werfen die Frage auf, wie dort eigentlich Gesetzestexte zustande kommen. Und - da sich das Ganze in Brüssel abspielt - wie die Vorschläge der EU-Kommission zustande kommen. Denn in der Kommission tummeln sich zehn Mal mehr Lobbyisten als im Parlament.

Das System Brüssel wird - eine so nicht beabsichtigte Folge des Strasserschen "Im a Lobbyist"-Videos - wohl insgesamt einer Revision unterzogen werden müssen. Es werden vermutlich weitere unappetitliche Fälle auftauchen. In der EU geht es immer um viel Geld; um 100.000 Euro auf die Dienste eines Abgeordneten oder Kommissionsbeamten zugreifen zu können, mag gut angelegtes Geld sein. Für Firmen.

Für den Bürger eher nicht. Es wird also notwendig sein, allfällige Nebeneinkünfte offenzulegen und auch dazuzusagen, woher das Geld stammt und wofür es bezahlt wurde. Eine derartige gläserne Regelung mag in Österreich auf Unverständnis stoßen, weil Geldangelegenheiten als zutiefst privat betrachtet werden.

Für ein Parlament, das österreichische wie das europäische, ist vollkommene Transparenz angesagt. Alles andere vertieft das Misstrauen der Bürger in die demokratischen Institutionen nur noch mehr.