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Zinn, Öl und große Pläne

Von Georg Friesenbichler aus Malaysia

Politik

Vizepremier empfing Fischer in Kuala Lumpur. | Ethnische Vielfalt bestimmt Politik des asiatischen Landes. | Kuala Lumpur. Am Sonntag war Heinz Fischer im 86. Stockwerk. Dort liegt 367 Meter über der Erdoberfläche das oberste nutzbare Stockwerk der Petronas-Towers, die bis 2004 als das höchste Gebäude der Welt galten. Am Montag fuhr der österreichische Bundespräsident mit der Fahrradrikscha durch Melaka, der Stadt, die - damals Malakka genannt - ab dem 15. Jahrhundert als einer der wichtigsten Häfen Asiens galt.


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Welcher dieser beiden geschichtlichen Eckpunkte heute das Leben in Malaysia bestimmt, scheint auf den ersten Blick klar. Die Petronas-Towers stehen in Kuala Lumpur, was ursprünglich schlammige Flussmündung bedeutet. In einer solchen wurden um 1860 gewaltige Zinnvorkommen entdeckt, ein Run auf das damals höchst begehrte Schwermetall brach aus. Kuala Lumpur wurde 1896 zur Hauptstadt eines malaiischen, von den Briten beherrschten Staatenbundes.

Was damals das Zinn war, sind heute Öl und Gas - die Grundlage für die Wirtschaft des Staates. Die staatliche Gesellschaft Petronas trägt rund 40 Prozent zu den Einnahmen des Landes bei. Auf dieser Basis schaffte es Malaysia gut durch alle Krisen. Die jüngste Finanzkrise hatte hier kaum negative Auswirkungen, weil man sich wenig in den USA engagiert hatte. Bloß als sich die folgende Wirtschaftskrise auf die Exporte niederschlug, von denen das Land wesentlich abhängt, rutschte im vergangenen Jahr die Wirtschaft um 1,7 Prozent ins Minus. Heuer soll die Wachstumsrate aber schon wieder sieben Prozent betragen. Premier Najib Razak strebt an, bis 2020 aus dem Staat ein hochindustrialisiertes Land mit hohen Einkommen zu machen.

Fischer hatte keine Gelegenheit, diese Pläne von Najib selbst erläutert zu bekommen, weil dieser an Feuchtblattern erkrankt ist. Sein Vize Tan Sri Muhyddin Yassin übernahm die Aufgabe, die Vision dem Präsident und beim österreichisch-indonesischen Wirtschaftsforum darzustellen. Zuvor wurde Fischer noch vom König empfangen. Dieser wird alle fünf Jahre turnusmäßig aus dem Kreis der sieben Sultane gewählt und hat lediglich repräsentative Aufgaben. Nicht nur an seiner Person zeigt sich, dass trotz aller Modernität des Landes dessen wechselhafte Geschichte noch eine große Rolle für die heutigen Verhältnisse spielt - vor allem für die politischen.

Denn von einer Demokratie im westlichen Sinn kann keine Rede sein. Zwar gibt es mehrere Parteien, diese orientieren sich aber weniger an ideologischen als an ethnischen Grenzen. 60 Prozent der Bevölkerung gehen auf asiatische Ureinwohner oder in der Zeit vor Christi Geburt aus dem pazifischen Raum Zugewanderte zurück - sie firmieren unter dem Sammelbegriff Malaien oder Bumiputra (Söhne der Erde). Die englischen Kolonialherren brachten Chinesen und Inder ins Land, die heute rund 24 und 7 Prozent der Bevölkerung stellen.

Die eigenen Parteien, die diese ethnischen Gruppen vertreten, schließen sich zu übergreifenden Bündnissen zusammen. Ein solches, geführt von der malaiischen Partei Umno, dominiert seit Jahrzehnten die politische Landschaft. Erst in jüngster Zeit hat sich auch die Opposition vereint - auf diese Weise verlor das Regierungsbündnis 2008 die Zwei-Drittel-Mehrheit. Oppositionsführer Ibrahim Anwar muss sich allerdings immer wieder politisch motivierten Prozessen stellen, etwa wegen angeblicher Homosexualität, die in Malaysia strafbar ist.

Regierung umStabilität bemüht

Am zweiten Tag von Fischers Besuch rückte die Tageszeitung "Star" Appelle von Politikern in die Schlagzeilen, keine Konflikte zwischen den Rassen zuzulassen. Dem entspricht auch der neuerdings häufig zu lesende Slogan "1 Malaysia", also "Ein Malaysia". Die Spannungen zwischen den Ethnien sind allerdings teilweise gesetzlich festgelegt, denn die Bumiputra werden im öffentlichen Leben klar bevorzugt. Aber sie werden auch streng kontrolliert. Denn jeder Malaie gehört von Geburt zum Islam, ein Austritt ist nahezu unmöglich. Und eigens wird überwacht, ob sich die Moslems an die islamischen Vorschriften halten. Der religiöse Eifer rutscht manchmal ins Extreme und lässt christliche Kirchen brennen.

Der neue Premier Najif scheint in diesen Angelegenheiten um Schadensbegrenzung bemüht. Vermutlich sieht er in den Konflikten ein Hindernis für die ehrgeizigen wirtschaftlichen Pläne. Immerhin hat Malaysia einen Ruf zu verteidigen: Man ist Gründungsmitglied der Asean, des Verbandes der südostasiatischen Staaten. Zu den Asean-Staaten gehören auch Indonesien und Singapur, die Fischer als Nächstes besucht. Sie alle sind Hoffungsmärkte für österreichische Firmen, sagt der Bundespräsident.