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Zinsen sind Zukunft

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Die Rute liegt im Fenster: EZB-Chef Jean Claude Trichet hat es gereicht, er hat recht unverhüllt eine Euro-Zinserhöhung ab April angekündigt. Sie wird mickrig ausfallen, aber sie kommt. Nach außen wird die Inflation als Grund genannt, ein bisschen stimmt es auch. Aber Trichet hatte auch einen politischen Grund für die Ansage.


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Seit Monaten erklärt er gebetsmühlenartig den EU-Finanzministern und auch den Regierungschefs, was notwendig sei: eine stärkere politische Integration der Euro-Zone. Stattdessen trafen sich die Chefs der beiden großen Parteiblöcke, Konservative und Sozialdemokraten, zu fraktionellen Vorbesprechungen in Athen und Helsinki. Selbst wenn man versucht, moralinsaure Worte zu vermeiden: Europa hätte derzeit - mit Blick auf Nordafrika - wahrlich anderes zu tun, als sich mit sich selbst zu beschäftigen.

Tut es aber nicht. Vermutlich wird ein militärisches Eingreifen des Westens in Libyen den Ölpreis noch einmal nach oben gehen lassen, Benzin wird teurer, die Inflation steigt. Immerhin hat Trichets Ankündigung einer Zinserhöhung den Euro zum Dollar deutlich steigen lassen. Die derart importierte Inflation wird allein dadurch gemildert. Und die EZB hat allein mit der verschlüsselten Ankündigung für die europäische Wirtschaft mehr getan als deren Finanzminister und Regierungschefs in den vergangenen Monaten.

In den kommenden drei Wochen soll der Euro "abgesichert" werden, mit vielerlei Maßnahmen. Möglicherweise werden "die Märkte" davon weniger Notiz nehmen, als allen lieb ist, denn ein militärisches Vorgehen in Libyen würde eine völlig neue Situation schaffen - auch für die Zeit danach. Wenn die USA, Spanien, Frankreich und Großbritannien in den Konflikt eingreifen, übernehmen sie auch Verantwortung für die Nach-Gaddafi-Ära. Wie die ausschauen soll, ist allemal drängender als die Frage, ob nun im EFSF oder im ESM (niemand mehr versteht diese Abkürzungen) Euro-Staatsanleihen gekauft werden dürfen.

Wer über den Tellerrand hinausblickt, sollte erkennen können, dass die Zinsen, die bei einem beherzten Eingreifen in der arabischen Welt für die demokratische Entwicklung anfallen, in jedem Fall höher sein werden als jene der EZB im April. . .