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Zinssenkungen der EZB sind verpufft

Von Wolf Pampel

Wirtschaft

Die Geldspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Ankurbelung der Konjunktur verpuffen in Deutschland im Getriebe der Kreditwirtschaft. Während der EZB-Leitzins innerhalb von zwei Jahren um insgesamt 2,5 Prozentpunkte zurückging, müssen entsprechende Zinsverbilligungen im deutschen Bankgewerbe schon mit der Lupe gesucht werden.


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Die von der Notenbank gewährten Vorteile kommen bei der Masse der Verbraucher sowie kleiner und mittlerer Unternehmen gar nicht an.

Seit dem Höhepunkt im Sommer des Jahres 2001 mit einem Leitzins von 4,50% haben die Währungshüter in Frankfurt ihren zentralen Leitzins bereits sechs Mal gesenkt und bis Anfang Juni 2003 auf 2,0% heruntergeschleust. Zu diesem geringen Satz können sich die Banken und Sparkassen bei der EZB Zentralbankgeld besorgen und wieder an die Kunden ausleihen.

Dagegen sind die Überziehungskredite an Privatkunden nach Angaben der Bundesbank im Schnitt nur um magere 0,37 Punkte auf 12,31% gesunken. Dabei existiert allerdings eine extreme Bandbreite von 10,75 bis 13,30%. Die Zinssätze für Ratenkredite bis 15.000 Euro blieben im Durchschnitt mit 0,41% pro Monat sogar gänzlich unberührt. Bei Kontokorrentkrediten bis unter 100.000 Euro - der Dispo für kleinere Unternehmen - schlugen sich die EZB-Schritte nur mit einem Minus von 0,43 Punkten auf 10,69% im Juni nieder.

Lediglich bei längerfristigen Hypothekenkrediten, deren Zins sich aber stark am Kapitalmarkt orientiert, war eine deutliche Senkung von knapp sechs auf knapp 4% zu beobachten. Im Falle von Baudarlehen funktioniert offenbar die viel beschworene Konkurrenz, zumal die Kunden auf Grund der meist hohen Beträge viel stärker als üblich Preisvergleiche anstellen.

Banken kürzten Habenzinsen

Während sich auch die anderen Sollzinsen nur im Schneckentempo nach unten bewegten, kappten die Banken und Sparkassen dagegen die Habenzinsen der Kunden unmittelbar nach den EZB-Entscheidungen. Für Sparbriefe mit vierjähriger Laufzeit schmolzen sie im Schnitt von 4,31 auf nur noch 2,28% im vergangenen Monat. Auch bei Spareinlagen wurden die Zinszahlungen an die Kundschaft um rund zwei Prozentpunkte gekürzt.

Grau ist alle Theorie

Mit dieser Politik werden alle Weisheiten der ökonomischen Lehrbücher zur Makulatur. Sonst hätte zumindest die Binnennachfrage schon wieder eine höhere Drehzahl erreichen müssen. Niedrigere Notenbankzinsen verbilligen die Refinanzierung der Banken. Daher werden auch die Kredite günstiger, und Unternehmen sowie Verbraucher nutzen die Niedrigzinsphase für den Kauf von Investitions- und Gebrauchsgütern. So weit die Theorie. Doch dabei ist schon zu berücksichtigen, dass in Zeiten zunehmender Angst um den Arbeitsplatz die Zinskosten nur einer der Faktoren bei der Entscheidung über größere Anschaffungen sind.

Zudem kommen die EZB-Zinsvorteile am Ende der Kette nur als Rinnsal an. Mit der Politik der zwei Geschwindigkeiten - bei Soll- und Habenzinsen - versuchen die Geldhäuser, ihre Not leidenden Bilanzen aufzupolieren. Für die Bundesbank ist dies eine leidige Erfahrung. "Wie auch bei früheren Zinssenkungen zu beobachten war, bemühen sich die Banken, durch die etwas verzögerten Anpassungen im Kreditgeschäft zumindest zeitweilig ihre Zinsmarge aufzubessern", schrieb die Bundesbank schon in ihrem Februar-Bericht.

Die Konjunkturspritzen der Notenbank versickern somit in den Gewinn- und Verlustrechnungen der Banken und Sparkassen. Bereits im Dezember hatte Rolf Breuer als Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken dieses Verhalten offen ausgesprochen. Die volle Weitergabe der EZB-Zinssenkungen - sagte Breuer zum Ärger seiner Mitglieder - könne sich die Branche angesichts der schwachen Ertragslage "nicht erlauben".