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Zirkulation statt Migration

Von Simon Rosner

Politik

Eine halbe Million Österreicher lebt im Ausland, jedes Jahr werden es mehr - Studie über neue Motive für Auswanderung.


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Wien. Über die Einwanderung nach Österreich liegen umfassende und differenzierte Informationen vor, viele Forscher beschäftigen sich seit Jahren mit diesem Themengebiet. Man weiß daher ziemlich genau, wer von wo nach Österreich kommt, warum, mit welcher Qualifikation, und wie sich der Erwerbsstatus entwickelt. Anders sieht die Datenlage zur Auswanderung von Österreichern aus. Hier weiß man so gut wie gar nichts.

Die Statistik Austria hat nun erstmals eine Datensammlung präsentiert, die auf einem 2011 in mehreren europäischen Ländern durchgeführten Zensus basiert. Es ist eine erste Annäherung, viel mehr noch nicht. Es wurden auch nur jene 264.199 Österreicher berücksichtigt, die im EU-Ausland sowie in den Efta-Ländern Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz wohnen. Weltweite Zahlen gibt es nicht, nur Schätzungen vom Außenministerium, die sich auf rund eine halbe Million Österreicher im Ausland belaufen.

Höheres Gehalt durch Aufenthalt im Ausland

Doch warum gibt es zur Auswanderung so gut wie keine Daten? "Der Grund ist einfach. Die Menschen sind einfach weg und statistisch schwierig zu erfassen", sagt Migrationsforscher Heinz Fassmann, der auch Mitglied des deutschen Sachverständigenrats für Integration und Migration ist. Es ist eine zufällige Koinzidenz, dass dieses Gremium ebenfalls am Dienstag eine Studie über Zahlen und Motive zur deutschen Aus- und Rückwanderung präsentierte. "Das Auffinden dieser Personen war auch sehr schwierig", erzählt Fassmann. Die Ergebnisse der Befragungen sind nicht repräsentativ, geben aber "belastbare neue Erkenntnisse zu den soziostrukturellen Merkmalen und den Wanderungsmotiven", wie es in der Studie heißt.

Die Kernaussage: "Das alte Bild von Siedlungsmigration ist brüchig geworden", sagt Fassmann. Der mit 72 Prozent am häufigsten genannte Grund für Deutsche, ins Ausland zu gehen, sind neue Erfahrungen. "Man geht hinaus wegen der Abenteuerlust, nicht aus rationalen Gründen", so Fassmann. Dass 41 Prozent angaben, mit großer Sicherheit wieder zurückkehren zu wollen, ist für den Forscher ein weiterer Beleg, dass sich Migration verändert hat, dass vielleicht sogar der Begriff nicht mehr ganz zutrifft; eher Zirkulation statt Migration.

Die Erkenntnisse aus Deutschland sind zwar nicht direkt auf Österreich zu übersetzen, reichen aber jedenfalls für Forschungsansätze. So zeigt die deutsche Studie, dass sich Mobilitätserfahrungen sehr positiv und nachhaltig auf das Einkommen auswirken. Es ist wahrscheinlich, dass dies in Österreich ähnlich ist. "Es ist sicher karrierefördernd", sagt Fassmann. Womit es auch einen sehr rationalen Grund gebe, zumindest eine gewisse Zeit im Ausland zu verbringen.

Wo sich Österreich und Deutschland gleichen, ist im negativen Wanderungssaldo. In beiden Ländern ziehen jedes Jahr mehr Einheimische weg als wieder zurück. Deutsche Medien zeigen sich vom Verlust geradezu entsetzt, seit 2009 weist Deutschland ein Minus von 130.000 Personen auf. Das ist naturgemäß weit mehr als in Österreich, allerdings nicht um den Faktor zehn, um den Deutschland größer ist. Seit 2009 haben 34.000 Österreicher mehr das Land verlassen als wieder zurückgekehrt sind.

Dass Deutschland und die Schweiz die ersten Zielländer sind, überrascht aufgrund der Sprache nicht. Bemerkenswert ist jedoch, dass laut Statistik Austria das Geschlechterverhältnis sehr unterschiedlich ist. In Italien wohnen doppelt so viele österreichische Frauen wie Männer, in Osteuropa wiederum kommen zwei bis drei Österreicher auf eine Österreicherin. Über die Gründe kann nur spekuliert werden, eine Rolle dürfte aber das Engagement heimischer Firmen in Osteuropa spielen, von dem Männer eher profitieren.

Großer Austausch zwischen Österreich und Deutschland

Dass relativ gesehen mehr Österreicher auswandern als Deutsche, sieht Fassmann primär in der Größe des Landes begründet. "Die Wahrscheinlichkeit bei einer gewissen Wanderungsdistanz eine Grenze zu erreichen ist hier einfach größer." Österreich findet sich bei der deutschen Auswanderung unter den Top-Drei, hinter der Schweiz und den USA.

Übersee ist auch bei Österreichern sehr beliebt, nur in Deutschland waren 2011 mehr Österreicher gemeldet als in den USA (46.000). Allerdings gibt es hier eine statistische Ungenauigkeit. Die Vereinigten Staaten erheben nur das Geburtsland, nicht die Staatsbürgerschaft. US-Bürger Arnold Schwarzenegger scheint demnach in den 46.000 Personen auf. Was auf ihn jedenfalls zutrifft: Die Auswanderung hat sich für ihn ausgezahlt.

Statistik Austria: Abwanderung aus Österreich

Studie: Auswanderung aus Deutschland überwiegend auf Zeit