Naturidentische Duftstoffe aus dem BASF-Chemielabor. | Mit 40.000 Tonnen Citral jährlich weltweiter Marktführer. | Ludwigshafen. Oft unterschätzt, zählt der Geruchssinn für fast alle Lebewesen zu den wichtigsten Wahrnehmungs- und Unterscheidungsmöglichkeiten. Rund 350 verschiedene Typen von Geruchsrezeptoren besitzt die Riechschleimhaut des Menschen und nach dem Prinzip von Schlüssel und Schloss können daran nur ganz bestimmte Duftmoleküle andocken und so im Gehirn eine Duftempfindung auslösen. Komplexe Düfte aktivieren gleichzeitig eine ganze Reihe von Rezeptoren, wodurch sich die Zahl der wahrnehmbaren Gerüche vervielfacht. Eine geübte Nase kann deshalb mehr als 10.000 Duftnoten unterscheiden.
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Um seine Nase zu erfreuen und sich in Stimmung zu bringen, umgibt sich der Mensch mit angenehmen Düften. Heute mehr denn je, wobei auch die "natürlichen" Duftstoffe in Seifen, Waschmitteln, Deodorants, Kosmetika und Raumsprays meist synthetisch erzeugt werden. Auf diesem Gebiet zählt der deutsche BASF-Konzern weltweit zu den Marktführern. Kernprodukt ist Citral, eine Aromachemikalie, die seit dem Jahr 2004 in Ludwigshafen in einer neuen Anlage mit 40.000 Tonnen Jahreskapazität hergestellt wird.
Das Molekül aus zehn Kohlenstoffatomen (C-Atomen) sorgt auch in der Natur für Zitrusduft, zum Beispiel in Zitrusfrüchten und Zitronengras. Synthetisches Citral der BASF ist jedoch nicht nur für Zitrusduft verantwortlich. Durch kleine Abwandlungen der Molekülstruktur lassen sich daraus auch andere wichtige Duftstoffe der Aromaindustrie herstellen, wie das nach Lavendel riechende Linalool und das für den typischen Rosenduft verantwortliche Geraniol.
Gleiches Rückgrat
"In ihrer Molekülstruktur ähneln sich diese blumigen Düfte hochgradig. Alle drei besitzen ein identisches Rückgrat aus zehn Kohlenstoffatomen und als besonderes Merkmal ein Sauerstoffatom", erklärt Klaus Ebel, Research-Manager in der Forschung bei BASF. "Der wesentliche Unterschied liegt in der genauen Position und Art der Anbindung des Sauerstoffs. Bei Citral und Geraniol sitzt das Sauerstoffatom am Ende der Kohlenstoffkette. Bei Citral ist es jedoch über eine Doppelbindung und bei Geraniol über eine Einfachbindung angehängt. Im Falle von Linalool sitzt das Sauerstoffatom dagegen einfach gebunden an einem weiter innen in der Kette gelegenen Kohlenstoffatom."
Ein kleiner Unterschied mit großen Folgen: Wie bei einem Schlüssel, an dem man nur einen Zacken des Bartes verändert, docken die drei Moleküle an unterschiedliche Geruchsrezeptoren der Nase an und lösen dort die jeweiligen Dufteindrücke aus. Da die Duftstoffe, chemisch gesehen, exakt ihrem Pendant aus der Natur entsprechen, kann auch die feinste Nase keinen Unterschied feststellen.
Bei BASF verweist man auf zwei entscheidende Vorteile der naturidentischen Gerüche: Zum einen besitzen sie einen gleichbleibend hohen Reinheitsgrad, wie er bei natürlichen Extrakten kaum zu erreichen ist. Zum anderen ist die Synthese oft der einzige Weg, die benötigten Mengen an Duftstoff zu einem akzeptablen Preis zu produzieren. Um etwa die in Ludwigshafen hergestellten 40.000 Jahrestonnen Citral aus Zitronengras zu gewinnen, müsste man eine Anbaufläche von etwa 400.000 Hektar bepflanzen - ein Gebiet von der Größe der Mittelmeerinsel Mallorca.
Düfte und Vitamine
Der technische Aufwand für die Synthese von Citral und seiner Verwandtschaft ist allerdings auch nicht klein. "In manchen Anlagenteilen herrschen Reaktionstemperaturen von bis zu 300 Grad Celsius und extreme Drücke von bis zu 300 bar. Wir mussten eigens Spezialkatalysatoren mit Silber und anderen Edelmetallen als Aktivkomponenten entwickeln, um die notwendigen chemischen Reaktionen zu ermöglichen und die Bildung unerwünschter Nebenprodukte zu minimieren", sagt Martin Schmidt-Radde, der Produktionsverantwortliche im Bereich Aromachemikalien.
Schon die "Hochzeit" der Ausgangsstoffe für die Citral-Produktion gelingt nur unter hohem Druck mit Hilfe eines komplexen Verfahrens, zumal rund ein Drittel des Citrals in die Produktion von Stoffen geht, die mit feinen Düften kaum etwas zu tun haben: Vitamine, genauer gesagt die Vitamine A und E sowie Carotinoide, die im Stoffwechsel als Vitaminvorläufer und Antioxidans dienen. Die beiden Vitamine besitzen ein Rückgrat aus 20 bzw. 29, Carotinoide sogar eines aus 40 Kohlenstoffatomen. Das macht sie schwer flüchtig und so für den Geruchssinn nicht wahrnehmbar.
Für die Duftbausteine auf Citral-Basis gelten besonders hohe Anforderungen, denn schon die geringste geruchsrelevante Verunreinigung kann den gewünschten typgerechten Geruchseindruck stören oder gar zerstören. Spezielle Destillationsverfahren bilden deshalb den letzten technischen Schritt in der Herstellung. Nur eine Hürde gilt es dann noch zu überwinden, so Alfred ten Haaf vom Sensorik-Team Analytik: "Das Endprodukt kann hinsichtlich der analytischen Zusammensetzung noch so perfekt sein, wenn es nicht richtig riecht, ist das für die Freigabe das K.-o.-Kriterium."
Menschliche Spürnase
"Die Kunden erwarten eine absolut konstante Geruchsqualität. Nur so kann zum Beispiel die Duftkomposition eines Parfums, die aus einer Vielzahl von Duftbausteinen besteht, das erwartete Dufterlebnis garantieren. Andernfalls ist eine Duftenttäuschung vorprogrammiert", erklärt der Experte. Zusammen mit seinem Team steckt deshalb der ausgebildete Parfümeur und Technologe für Kosmetika und Waschmittel seine Nase in jede Charge, bevor diese an die Kunden geht. Am Ende könne eben doch kein Gaschromatograph der Welt die menschliche Spürnase übertreffen.
An sich benötigen Cremes, Shampoos und Waschmittel nur verschwindend geringe Mengen Citral. Global gesehen summiert sich dieser Bedarf jedoch zu großen Mengen. Abnehmer sind in erster Linie Kosmetik- und Waschmittelfirmen (Aromastoffe) sowie Hersteller von Tierfutter und Nahrungsergänzungsmitteln (Vitamine).