)
Noch ist Basel III nicht verdaut, da droht der Finanzbranche bereits das nächste strenge Regelwerk.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Der österreichische Finanzmarkt hat an der Einführung der Basel III-Standards und der Neuordnung der europäischen Bankenaufsicht im Jahr 2014 bis heute schwer zu tragen. Ungeachtet dessen plant der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht BCBS (Basel Committee on Banking Supervision) gemeinsam mit den EU-Institutionen bereits die nächsten gravierenden Änderungen für die Finanzbranche.
"In Fachkreisen ist bereits von einem ‚Basel IV‘ die Rede. Dazu zählen vor allem neue Messmethoden für das Kreditrisiko, das Marktrisiko und das operationelle Risiko, die in Summe wohl abermals erhöhte Eigenkapital-Anforderungen bedeuten", skizziert Dominik Damm, Partner und FSI Country Leader bei Deloitte Österreich, das, was auf den europäischen Finanzmarkt zukommt. Laut seiner Analyse wird Basel IV "weitreichende Auswirkungen auf die Finanzbranche, aber mehr noch als Basel III auch auf die Industrie haben".
Fakt ist: Rund ein Jahr nach Inkrafttreten von Basel III werden wesentliche Vorschriften der drei Säulen des Basler Papiers zum Teil komplett überarbeitet und erweitert.
Verbesserung der internen Risikomessung
In Säule I werden generell die Eigenkapitalanforderungen geregelt und der bankenaufsichtsrechtliche Eigenmittelbegriff festgelegt. "Ziel der Neuregelung in diesem Bereich ist es, die Risikosensitivität zu erhöhen und international vergleichbare Kapitalanforderungen zu schaffen", erläutert Damm. In der Säule II ist das Überprüfungsverfahren durch die Bankenaufsicht geregelt, und Säule III enthält Offenlegungsanforderungen. Die bevorstehenden Änderungen in diesen beiden Bereichen sollen laut Deloitte auf eine Verbesserung der internen Risikomessung und Governance-Prozesse sowie eine höhere Transparenz abzielen. "Die substanziellen Änderungen, die vonseiten der europäischen Bankenaufsicht aktuell geplant sind, lassen vermuten, dass die bisherigen Basel-Regelungen nicht den gewünschten Effekt erzielt haben", so Damm.
Im Zentrum der Änderungen steht unter anderem ein neuer Standardansatz für das Kreditrisiko. Darunter versteht man die gängigste Methode, die von Banken verwendet wird, um ihre Risiken und damit ihre regulatorischen Mindesteigenkapitalanforderungen zu bestimmen. Die geplante Änderung soll vor allem die bisher mangelnde Risikosensitivität steigern und die hohe Abhängigkeit von externen Ratings senken. Diese Rankings gelten als wesentliche Schwachstellen der bisherigen Regelungen. Insbesondere die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzsektors sollen künftig vermieden werden, die sich beispielsweise aus einem sprunghaftem Anstieg der Risikogewichte ("cliff effects") oder dem sogenannten Herdenverhalten der Finanzinstitute ergeben.
Souveränität des Managements steht auf dem Spiel
Generell lässt sich der Trend beobachten, noch stärker als bisher in die Entscheidungsbefugnisse des Vorstands und der Eigentümer von Banken einzugreifen. Für das Management steht daher nicht weniger als seine Souveränität auf dem Spiel. "Neben der Einführung eines weiteren umfassenden Regelwerks steht den Instituten insbesondere die kritische Überarbeitung des Geschäftsmodells bevor", warnt Damm. Sowohl die Überarbeitung des Standardansatzes für das Kreditrisiko als auch die Erweiterung des Überprüfungsprozesses der Bankenaufsicht wirken sich drastisch auf die Kapitalplanung, das Geschäftsmodell sowie die Rentabilität von Banken und auf ihre Performance sowohl als Kreditgeber als auch als Kreditnehmer aus. So wird erwartet, dass sich die Kapitalkosten besonders für jene Kredite erhöhen werden, die an kleine und mittelgroße Kreditinstitute vergeben werden.
Gefahr einer Verstärkungder Kreditklemme
Neben einer erneuten Erhöhung der Eigenmittelanforderungen wird zudem befürchtet, dass künftig bei der Kreditvergabe beziehungsweise der Risikobewertung die Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen zu wenig berücksichtigt werden. In Summe bestehe somit die Gefahr, dass durch die zusätzlichen Kosten für die Finanzinstitute die Kreditklemme weiter verstärkt und die Investitionsbereitschaft am Standort Österreich gehemmt werde.
Aber nicht nur der Bankensektor, auch die Industrie müsse sich auf Basel IV vorbereiten. Auch im Bereich der Unternehmerkredite wird die Größe künftig eine wesentliche Rolle spielen. So haben Analysen gezeigt, dass große, an Börsen notierte Unternehmen in Zukunft geringere Kapitalkosten verursachen werden, während für kleine und mittelgroße Unternehmen von stagnierenden, beziehungsweise leicht steigenden Kapitalkosten auszugehen ist. "Die meisten Änderungen werden voraussichtlich 2017 in Kraft treten", prognostiziert Damm.