Kroatien will Beitrittsgespräche im Juni abschließen. | Gute Fortschritte, schwierigste Bereiche noch offen. | Brüssel. Der Abschluss der kroatischen EU-Beitrittsverhandlungen vor Ende Juni ist das Ziel der Regierung in Zagreb und des ungarischen EU-Vorsitzes. Doch der Termin rückt rasch näher, und immer noch hat Kroatien fünf der 35 Verhandlungskapitel nicht abgeschlossen - darunter das schwierigste Justiz und Grundrechte.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Zudem erschüttert das Urteil des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag gegen den ehemaligen kroatischen General und weithin als Volkshelden verehrten Ante Gotovina das Land. Würde das kroatische Referendum über den EU-Beitritt jetzt stattfinden, wären laut Umfragen nur 23 bis 38 Prozent der Menschen dafür.
"Es ist extrem wichtig, Kroatien nach den jüngsten Vorfällen ein positives Signal zu geben", sagte daher Außenminister Janos Martonyi vom EU-Vorsitzland Ungarn nach der gemeinsamen Ministerkonferenz am Dienstag. Mit den Kapiteln Landwirtschaft und Regionalpolitik seien zwei Schlüsselbereiche abgeschlossen worden, die rund 75 Prozent des EU-Budgets umfassten. Der Abschluss der Gespräche sei damit in "greifbare Nähe" gerückt; die Ausarbeitung des Beitrittsvertrags laufe bereits.
Die Zielmarke Juni sei "ambitioniert aber machbar", meinte Martonyi. Er sei optimistischer als noch vor ein paar Wochen. "Wir freuen uns schon darauf, Kroatien so rasch als möglich als 28. Beitrittsland aufzunehmen", ergänzte EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle.
Doch selbst wenn der Juni-Termin gehalten werden kann, sei das frühestens Anfang 2013, hieß es in Diplomatenkreisen. Ein paar Monate dauere noch die Fertigstellung des Beitrittsvertrags und dessen Übersetzung in alle 23 EU-Amtssprachen. Nach der Unterzeichnung muss noch das Referendum in Kroatien abgehalten und der Vertrag in allen 27 EU-Staaten ratifiziert werden. Das dauert üblicherweise mindestens ein Jahr.
Berufung gegen Urteil
Ob Juni klappen könne, sei die "Ein-Millionen-Euro-Frage", meinte ein Diplomat. Kroatien habe zuletzt zwar das Reformtempo deutlich erhöht. Doch Justiz und Grundrechte sowie Wettbewerbsfähigkeit blieben weiterhin große Hürden. Bei den anderen ausständigen Bereichen handelt es sich um Fischerei sowie Finanz und Haushalt. Beide seien bereits technisch weit gediehen und könnten jedenfalls bis Juni abgeschlossen werden. Kapitel 35 heißt übrigens "Andere Fragen" - sollten solche nicht noch auftauchen, handelt es sich dabei um einen Formalakt zum Verhandlungsende.
Bis dahin müsse Kroatien noch seinen öffentliche Verwaltung und sein Justizsystem auf EU-Niveau heben, ausgewiesene Erfolge im Kampf gegen die Korruption vorlegen und vollständig mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammenarbeiten, erklärte Füle. Das Land werde auch nach der Verurteilung Gotovinas zu 24 Jahren Haft "voll mit dem UN-Tribunal kooperieren", sagte Außenminister Gordan Jandrokovic. Er verwies aber darauf, dass es sich um die erste Instanz handle und Kroatien gegen einige Elemente des Urteils berufen werde. Vor allem habe es sich bei der Rückeroberung Kroatiens 1995, bei der Gotovina eine wichtige Rolle gespielt hatte, nicht um ein "gemeinsames kriminelles Unternehmen" sondern einen Befreiungskrieg gehandelt.
Wegen der verheerenden EU-Zustimmungswerte beschwichtigte Jandrokovic: Die Umfragen unmittelbar nach der Urteilsverkündung spiegelten nicht die reale Situation wider, sagte er. Es gebe in Kroatien eine stabile Pro-EU-Mehrheit von 55 bis 64 Prozent.