Schuldenstreit mit Griechenland beim EU-Gipfel nicht entschärft.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel. Das ursprüngliche Thema war beinahe vergessen. Als das Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs für gestern, Donnerstag, angesetzt wurde, sollten sich die Politiker vor allem mit der Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion beschäftigen. Jedoch erfolgte die Planung vor dem Raketenangriff in der ostukrainischen Stadt Mariupol und dem Terroranschlag in der Redaktion der französischen Zeitschrift "Charlie Hebdo". Ebenso war es noch vor den Wahlen in Griechenland, aus denen die linke Partei Syriza als Siegerin hervorging - und der Schuldenstreit mit Athen mit neuer Heftigkeit entbrannte. So geriet die Debatte um die Stärkung der ökonomischen Säulen der Gemeinschaft bald in den Hintergrund. Die Krise in der Ukraine und der Umgang mit Russland sowie die Umsetzung gemeinsamer Maßnahmen zur Terrorbekämpfung rückten in den Fokus der Aufmerksamkeit.
Die aktuellen Ereignisse hatten sogar auf den Zeitplan ihre Auswirkungen. Wegen des Krisentreffens in der weißrussischen Hauptstadt Minsk, an dem die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Frankreichs Staatspräsident François Hollande teilgenommen hatten, wurde der Beginn der Sitzung in Brüssel verschoben. Denn das Ringen um eine Waffenruhe in der Ukraine zog sich über die Nacht hinaus bis in den gestrigen Vormittag.
Nicht auf der Agenda des EU-Gipfels stand hingegen eine Diskussion über mögliche weitere internationale Kredite für Griechenland. Thema bei so mancher Begegnung am Rande der Zusammenkunft waren die Finanznöte aber allemal. Immerhin war es die erste Gelegenheit für die Spitzenpolitiker, ihren neuen Amtskollegen Alexis Tsipras in ihrer Runde zu begrüßen. Sein Auftritt wurde daher mit ähnlichem Interesse verfolgt wie am Vortag das Erscheinen des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis im Kreise seiner Kollegen aus der Eurozone. Beide zeigten sich in Brüssel etwas konzilianter als in Athen, wo sie in den vergangenen Tagen und Wochen die rigiden Sparvorgaben geißelten, die ihnen die internationalen Geldgeber auferlegt hatten.
So bekundeten sie den Willen zur Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern. Wie diese Kooperation allerdings aussehen soll - darüber gibt es weiterhin unterschiedliche Auffassungen. Tsipras nämlich sieht Europa an einem "Wendepunkt": Die Gemeinschaft müsse ihre Politik gegenüber Griechenland überdenken. Es brauche eine Lösung, um die "Wunden zu heilen", die der Sparkurs geschlagen hat und Europa "zurück zu Wachstum und sozialem Zusammenhalt" zu bringen. Andere Mitgliedstaaten aber pochen auf die Erfüllung der Reformvorgaben für Athen. "Europa beruht auch darauf, Regeln einzuhalten", erklärte Merkel, die allerdings ebenfalls von Kompromissbereitschaft sprach.
Die Zeit, eine Übereinkunft zu finden, wird jedenfalls knapp. Denn Ende des Monats läuft das derzeitige Hilfsprogramm für Athen aus, und ohne weitere Unterstützung könnte Griechenland wieder der Staatsbankrott drohen. Die Sitzung der Finanzminister der Eurogruppe ist am Mittwoch ohne Einigung zu Ende gegangen, aber schon am Montag steht das nächste Treffen an.
Daten für Anti-Terror-Kampf
Doch nicht nur aus Berlin kommen Einwände gegen eine Aufweichung der Bedingungen für Griechenland. Etliche osteuropäische und baltische Staaten haben ebenfalls wenig Verständnis für eine Lockerung. Lettland beispielsweise musste selbst ein hartes Sanierungsprogramm durchführen - und hat seine Kredite bereits so gut wie zurückgezahlt. Auch in der Slowakei mangelt es an Bereitschaft, den Griechen Schulden zu erlassen. Die Kosten dafür würden die Steuerzahler tragen, betonte Ministerpräsident Robert Fico. Es gebe keinen Grund, warum sein Land, in dem Löhne und Pensionen sehr niedrig seien, dies tun sollte.
Mehr Einigkeit unter den Mitgliedern gibt es da schon beim Thema Terrorbekämpfung - zumindest in den Deklarationen. Im Schlussdokument des Gipfels wird die Notwendigkeit verstärkter Kooperation betont. So sollen die Sicherheitsbehörden beim Austausch von Personendaten besser zusammenarbeiten, was auch bei der Kontrolle der Außengrenzen des Schengen-Raums gelten soll. Dort soll die Überprüfung der Aus- und Einreisenden systematischer erfolgen.
Ebenso drängen die Staaten darauf, den Austausch von Informationen über Flugpassagiere auf EU-Ebene zu ermöglichen. Ein derartiges Abkommen gibt es derzeit etwa mit den USA, doch innerhalb der Union ist es am Widerstand im EU-Parlament gescheitert. Das soll sich aber ändern. Die Mandatare haben sich nun darauf verständigt, bis Jahresende eine Regelung zur Daten-Weitergabe auszuarbeiten.