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Zitterpartie für Österreichs Bauern

Von Karl Leban

Wirtschaft

Für die ländliche Entwicklung soll es nach 2020 um 15 Prozent weniger Geld aus Brüssel geben. Wird das so im EU-Agrarbudget festgeschrieben, dürfte sich hierzulande das Bauernsterben beschleunigen.


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Wien. Für Österreichs Landwirte steht bei der geplanten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) viel Geld auf dem Spiel. Denn im Agrarbudget des nächsten EU-Finanzrahmens von 2021 bis 2027 drohen Einbußen. Diskutiert wird eine 15-prozentige Kürzung in der für Österreich so wichtigen GAP-Säule der ländlichen Entwicklung, die ökologische Maßnahmen stark fördert und vor allem hierzulande intensiv genutzt wird. Ein derartiger Schnitt würde den Geldfluss an die heimischen Bauern pro Jahr um mehr als 80 Millionen Euro schmälern (Österreich ist da Netto-Empfänger).

Umweltschützer warnen jedenfalls vor Einsparungen bei Fördergeldern für die ländliche Entwicklung. Ablehnend äußerte sich zuletzt auch die mittlerweile abgesetzte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP): "Kürzungen in der Höhe von 15 Prozent sind für uns inakzeptabel." Ins gleiche Horn stoßen der Bauernbund und die Landwirtschaftskammer.

Im Raum steht bei der GAP-Reform aber auch, die zu 100 Prozent von Brüssel bestrittenen Direktzahlungen, die quasi die erste Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik sind, auf EU-Ebene in Zukunft zurückzufahren - um neun Prozent. Darüber hinaus sorgt der Brexit, der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, für viel Unsicherheit, was die Nervosität der hiesigen Bauernschaft zusätzlich vergrößert.

Angesichts des Faktums, dass die Zahl der agrarischen Betriebe in Österreich ohnehin bereits seit Jahrzehnten schrumpft (siehe die unten stehende Grafik), könnte all dies das Bauernsterben noch beschleunigen. Nach Daten der Statistik Austria gab es zuletzt rund 162.000 landwirtschaftliche Betriebe. Zum Vergleich: 1995, im Jahr des EU-Beitritts Österreichs, waren es mit rund 239.000 noch deutlich mehr.

Geld für Umwelt, Bergbauernund Biolandwirtschaft

In der ablaufenden EU-Finanzperiode von 2014 bis 2020 erhielt Österreich 4,8 Milliarden Euro an Direktzahlungen für seinen Agrarsektor. Dazu kamen 3,9 Milliarden Euro via zweiter GAP-Säule (ländliche Entwicklung), die vom Bund und den Ländern auf 7,7 Milliarden Euro aufgestockt wurden. Im Detail entfallen die Mittel für die ländliche Entwicklung zu knapp 27 Prozent auf Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen, zu fast 23 Prozent auf Ausgleichszulagen für Berg- und andere benachteiligte Gebiete, zu mehr als 10 Prozent auf den Biobereich, zu knapp 10 Prozent auf Basisdienstleistungen und Dorferneuerungen, zu 3 Prozent auf den Tierschutz und zu gut 27 Prozent auf sonstige Maßnahmen.

Mit Blick auf das künftige EU-Agrarbudget nach 2020 könnte bereits das heurige Jahr zu einem entscheidenden für die Bauern in Europa respektive Österreich werden. Nach bisherigen Plänen sollen künftig jedenfalls nur noch 30 (statt bisher 40) Prozent des EU-Gesamtbudgets in die Landwirtschaft fließen, womit der absolute Betrag von 58 auf 46 Milliarden Euro pro Jahr sinken würde.

Geht es nach der rumänischen EU-Ratspräsidentschaft, soll noch im Juni eine Position des Ministerrats zur Reform der GAP verabschiedet werden, berichtete kürzlich das Agrarische Informationszentrum. Beim EU-Agrarrat Mitte Mai in Brüssel standen zwar bereits technische Einzelheiten zur Verwaltung der zukünftigen Gemeinsamen Agrarpolitik auf der Agenda, Verhandlungsfortschritte brachte das Treffen jedoch keine. Von einer Einigung sind die EU-Mitgliedstaaten damit noch weit entfernt, sagen Agrarexperten. Im österreichischen Landwirtschaftsministerium ging man zuletzt davon aus, dass der GAP-Rechtsrahmen für die kommende EU-Finanzperiode wohl erst in der zweiten Hälfte 2020 beschlossen wird.

Umweltschützer fordernökologischere Förderpolitik

Köstinger selbst setzte wenige Tage vor der EU-Wahl noch warnende Worte Richtung Brüssel ab. "Ohne die entsprechende finanzielle Absicherung hat die Landwirtschaft in Europa keine Zukunft", betonte sie bei einer Veranstaltung im Raiffeisenhaus in Wien. Köstinger sprach sich in diesem Zusammenhang auch für eine "starke erste Säule" in der Gemeinsamen Agrarpolitik aus. Für viele Betriebe stelle diese eine "unabdingbare Grundabsicherung" dar. Laut Landwirtschaftsministerium wurde im Antragsjahr 2018 rund 13.000 heimischen Jungbauern eine zusätzliche Stützung via erster Säule gewährt.

Indes fordern Umweltschutzorganisationen wie Global 2000 eine "deutlich ökologischere" Ausrichtung der künftigen EU-Agrarpolitik. Was diese besonders kritisieren, ist, dass ein Fünftel der Subventionen an gerade einmal ein Prozent der Betriebe gehe. Außerdem fließe zu wenig Geld in Bereiche wie Natur, Tierwohl und Klimaschutz. Vor allem die GAP-Säule der Direktzahlungen ist aus Sicht von Global 2000 kaum an konkrete Umweltmaßnahmen gebunden.

Mitte Mai kündigte Köstinger die Erstellung eines nationalen GAP-Strategieplans an, der Anliegen wie Ressourcen-, Umwelt-, Natur- und Klimaschutz sowie Tierwohl berücksichtigen soll. Da die österreichische Bundesregierung inzwischen aber abgewählt wurde und damit auch Köstinger, dürfte dieses Vorhaben nun jedoch auf Eis gelegt worden sein.