Zum Hauptinhalt springen

Zitterpartie für Polens Regierung

Von Martyna Czarnowska

Politik

Das Ergebnis der zweiten Abstimmung über den Staatspräsidenten entscheidet auch über die Möglichkeiten des Kabinetts.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Warschau. Der eine verteilte Morgenkaffee an die Passanten, der andere brachte politische Botschaften via Internet unters Volk. Für zwei Bewerber um das Amt des polnischen Staatsoberhaupts ging die Kampagne nach dem Votum am Sonntag am Montagmorgen weiter. Und das knappe Ergebnis der ersten Runde der Präsidentenwahl lässt einen harten Zweikampf in den kommenden zwei Wochen erwarten. Dass sich Amtsinhaber Bronislaw Komorowski in der zweiten Runde am 24. Mai seinem Herausforderer Andrzej Duda stellen wird müssen, zeichnete sich zwar schon seit einiger Zeit ab. Doch dass der Kandidat der größten Oppositionspartei, PiS (Recht und Gerechtigkeit), im ersten Durchgang mehr Stimmen als der derzeitige Präsident erhalten würde, hatte kein Umfrageinstitut vorhergesagt.

Etwa ein Drittel der Wähler hatte sich jeweils für Duda und Komorowski ausgesprochen. Im linken politischen Spektrum wiederum hätte die Niederlage kaum größer sein können. Nur wenige Prozentpunkte waren die magere Ausbeute. Den größten persönlichen Erfolg hingegen konnte unter den elf Kandidaten ein Polit-Neuling verbuchen. Dem in Lederjacke und als Systemkritiker auftretenden Rockmusiker Pawel Kukiz gab immerhin jeder fünfte Pole seine Stimme.

Die größten Parteien, die regierende Bürgerplattform (PO), aus der Komorowski stammt, sowie PiS, haben damit ein Warnsignal erhalten, das zuvor schon andere populistische Gruppierungen in etlichen europäischen Ländern ausgesandt hatten. Doch in Polen bedeutet das nicht nur die wachsende Unzufriedenheit mit den etablierten Fraktionen. Es zeigt auch die Ermüdung vieler Menschen von dem Zweierringen, das die polnische Politik mittlerweile seit mehr als einem Jahrzehnt prägt.

Junge Protestwähler

Die zwei Wege, die PO und PiS seit den gleichen Ursprüngen in der Gewerkschafsbewegung Solidarnosc eingeschlagen hatten, haben Risse in der Gesellschaft hinterlassen. Den Wählern aus ärmeren, weniger gebildeten Schichten und bäuerlichen Gegenden, die auf den konservativen PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski und seine Partei setzen, stehen dabei PO-Sympathisanten gegenüber, die zum großen Teil in Städten wohnen und sich von der wirtschaftsliberaleren Bürgerplattform mehr Perspektiven erhoffen. Aber hinzu kommt nun eine wachsende Schar der Protestwähler. Und die ist jung: Kukiz verdankt seine Stimmen überwiegend der Gruppe der Unter-30-Jährigen inklusive Studenten.

Um ihre Unterstützung will der 51-Jährige auch weiterhin werben. Denn Kukiz hat bereits angekündigt, bei der Parlamentswahl im Herbst um einen Einzug in den Sejm zu kämpfen. "Wir werden gewinnen, die Verfassung ändern und Polen den Bürgern zurückgeben", verkündete er noch am Sonntag.

Die von ihm erwähnten Gesetzesänderungen werden aber schon in den nächsten Wochen zum Thema werden. Die von Kukiz aufgestellte Forderung nach einem Mehrheitswahlrecht ähnlich wie in den USA oder in Großbritannien hat Präsident Komorowski bereits in seinem aktuellen Videospot aufgegriffen. Dabei stellte er ein Referendum in Aussicht, bei dem die Polen nicht nur zur Wahlform befragt werden sollen, sondern auch zu möglichen Einschränkungen der Parteienfinanzierung aus dem Staatshaushalt und Änderungen des Steuersystems.

Das Werben um die Wähler des ehemaligen Rockmusikers wird aber weder Komorowski noch Duda ausreichen. Beide müssen vor allem ihr Elektorat mobilisieren und die Menschen überhaupt zur Stimmabgabe bewegen. Beim ersten Durchgang schaffte es von den fast 31 Millionen Wahlberechtigten gerade einmal die Hälfte zu den Urnen.

Hürden für das Kabinett

In welchem Ausmaß die Motivation den zwei rivalisierenden Fraktionen bei der Präsidenten-Stichwahl gelingt, wird auch zu einem wichtigen Test für die kommende Parlamentswahl. Gleichzeitig wird das Ergebnis des Votums in knapp zwei Wochen entscheidend für die künftige Zusammenarbeit zwischen Staatsoberhaupt und Regierung. Das Amt des Präsidenten hat in Polen zwar eher repräsentativen Charakter. Doch seine Vollmachten können die Arbeit des Kabinetts erleichtern oder erschweren.

So kann Premierministerin Ewa Kopacz mit der Unterstützung ihres ehemaligen Parteikollegen Komorowski in den meisten Fällen rechnen. Würde diesen aber Duda ablösen, könnte die regierende PO in ähnliche Situationen geraten wie in den Jahren, als Lech Kaczynski, der Zwillingsbruder des PiS-Vorsitzenden Kaczynski, Präsident war. Mit der Berufung auf sein Veto-Recht hat der Politiker einige Vorhaben des Kabinetts blockiert oder über einen längeren Zeitraum hinausgezögert. Das Tauziehen wurde auch schon einmal auf europapolitischer Ebene ausgetragen und mündete im Zwist darüber, ob der Premier oder der Präsident an einem EU-Gipfel teilnehmen soll.