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Zittert Waffenlobby vor Obama?

Von Christoph Rella

Politik

US-Waffenmarkt floriert trotz Krise. | Schützen fürchten Beschränkung des Waffenbesitzrechts. | Washington/Rom. Während sich immer mehr - oft weniger betuchte - Amerikaner wegen der aktuellen Wirtschaftskrise von ihren Waffen trennen (müssen), versuchen andere vor dem Amtsantritt des gewählten US-Präsidenten und Waffenskeptikers Barack Obama zu retten, was zu retten ist. Und decken sich daher vorsorglich mit Schießeisen und Munition ein.


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Davon, dass die Amerikaner mehr Gewehre und Pistolen kaufen würden, ist beim italienischen Waffenhersteller Beretta allerdings noch nichts zu bemerken. Denn Grund dafür, dass der Waffenexporteur aus dem norditalienischen Gardone Val Trompa im Dezember 2008 hunderte Beschäftigte zur Kurzarbeit anmelden musste, ist die offenbar sinkende Nachfrage nach Waffen in den USA. Noch nie in der 400-jährigen Geschichte des europäischen Unternehmens habe es so drastische Maßnahmen gegeben, berichteten italienische Zeitungen. Immerhin geht mehr als die Hälfte der jährlichen Produktion des Konzerns auf den US-Markt.

Unter dem Eindruck der anhaltenden Wirtschaftskrise war dort etwas möglich, womit niemand gerechnet hätte. Viele Amerikaner kauften nicht nur weniger Waffen, sie veräußerten sogar jene, die sie besaßen.

So traf beispielsweise in einem von Kriminalität geplagten Vorort von Los Angeles die traditionelle vorweihnachtliche Umtauschaktion "Gewehre gegen Geschenke" laut Polizei auf ungewöhnlich große Resonanz. Seit 2005 können im Stadtteil Compton illegale Waffen im Büro des Sheriffs anonym gegen Gutscheine für Elektronikgeschäfte und Supermärkte eingetauscht werden. Sammelten die Behörden 2007 nur 387 Waffen ein, wurden im vergangenen Jahr 965 Schusswaffen und Pistolen gegen Gutscheine eingetauscht.

Angst vor Obama

"Die Leute haben einfach kein Geld mehr, um Essen zu kaufen", erzählte Wachtmeister Byron Woods dem Fernsehsender Fox 11. "Ein Mann kam herein und sagte, er sei gekündigt worden. Er hat fünf Waffen auf den Tisch gelegt und gesagt, das würde ihm helfen, seine Familie zu ernähren."

Allerdings rüstet nicht jeder schießwütige US-Bürger ab. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, brechen derzeit einschlägige Waffen-Messen wie etwa in Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah oder in Berea (Ohio) alle Besucherrekorde. In Kalifornien wird die Ware knapp, heißt es. Die Behörden aus Lancaster County in Nebraska meldeten wiederum einen Ansturm auf Waffenscheine.

Grund: Nicht wenige US-Bürger quer durchs Land befürchten, dass unter der Obama-Administration der Verkauf von Waffen merklich eingeschränkt oder zumindest erschwert werden wird. "Die Menschen machen sich Sorgen um die Zukunft des Rechts, Waffen tragen zu dürfen", wird Bob Templeton, Organisator der Waffenschau "West Gun Show" in Salt Lake City, zitiert. Obama würde die Waffen teurer machen, lautet die Gerücht. Andere sprechen davon, dass der Präsident eine Munitionssteuer einführen wolle.

Run auf Waffen-Kurse

Ein klares Indiz dafür, dass sich die Amerikaner trotz wirtschaftlicher Krisenzeiten langfristig nicht von ihren Schießeisen trennen wollen, liefert eine Statistik. Demnach seien die Kurse, die Voraussetzung sind, um "Waffen verdeckt tragen zu dürfen", über Monate ausgebucht. Es handle sich dabei um einen "landesweiten Trend", der auch vom FBI bestätigt wird. Die Anfragen von Waffenscheinanwärtern um Auszüge aus dem Vorstrafenregister seien in den letzten Monaten geradezu explodiert. Hatten im Oktober noch 800.000 Menschen um die Bescheinigung angesucht, so waren es im Dezember, ein Monat nach Obamas Wahl, bereits 1,53 Millionen.

Für den Waffenhersteller Beretta bedeutet dies, sich umgehend etwas einfallen zu lassen, um den amerikanischen Markt wieder zurückzuerobern. Auf die Hilfe eines ihrer prominentesten US-Kunden kann der Konzern nicht mehr zählen: George W. Bush.