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Sorgen wegen der entstehenden Lücke. | Ministerin will keine Verpflichtung. | Berlin. Der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) verunsichert nicht nur Parteifreunde und Armeeführung, sondern auch Hilfsorganisationen. Denn er plant ja, dass sich junge Männer für den Wehrdienst ab Mitte 2011 nur noch freiwillig melden. Und weil die Wehrpflicht eng an den Zivildienst gekoppelt ist, würde das auch für diesen das Aus bedeuten.
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90.000 Männer leisteten im vergangenen Jahr Zivildienst: "Nach eingehender Prüfung ihres Gewissens" waren sie "zu der Entscheidung gelangt, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern", wie es auf der Website des Bundesamts für den Zivildienst heißt. Sie kümmerten sich um alte und kranke Menschen, brachten Essen auf Rädern, kopierten Unterlagen oder halfen Haustechnikern.
Auch im Jugendzentrum Ihringen, einer Gemeinde im Südwesten Baden-Württembergs, arbeiten Zivildiener. Sie knüpfen Kontakt zu den 14- bis 18-Jährigen beim Tischfußballspielen oder Kochen und bekommen so auch nach und nach mit, wo die Jugendlichen Unterstützung brauchen.
Diplompädagoge Sebastian Heide vermittelt dann beispielsweise den Kontakt zur Schuldnerberatung oder hilft bei den Bewerbungsunterlagen. "Die Zivildienstleistenden sind sehr wichtig", sagt Heide.
Das gilt auch für den Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland (ASB): "Durch den Wegfall des Zivildienstes würde eine Lücke entstehen, die nicht problemlos geschlossen werden kann", klagt Alexandra Valentino. "Personal im Pflegebereich ist ohnehin schwer zu bekommen."
Knapp 1800 Zivis beschäftigt der ASB. Im Rettungsdienst sind sie schon jetzt nicht mehr tätig: Mit Juli wurde die Wehrpflicht - und damit der Zivildienst - von neun auf sechs Monate gekürzt. Das sei zu wenig Zeit, um sich im Rettungsdienst einzuarbeiten, heißt es vom ASB. Wie auch im Jugendzentrum Ihringen hofft man nun, dass sich genügend junge Menschen finden, die ein "Freiwilliges Soziales Jahr" absolvieren möchten.
Freiwillige vor
Derzeit tun das beim Samariterbund 850 Frauen und Männer. Sechs bis achtzehn Monate dauert ein "Freiwilliges Soziales Jahr". Die 16- bis 27-Jährigen erhalten für ihre Mitarbeit in Pflegeheimen, Kindergärten, Sporteinrichtungen oder Sozialdienststellen ein Taschengeld. Beim Samariterbund sind das zwischen 150 und 200 Euro, dazu kommt noch ein Verpflegungsgeld. Für den Fall, dass die Wehrpflicht in der derzeitigen Form fällt, will Familienministerin Kristina Schröder (CDU) diese Freiwilligendienste ausbauen. Ob Jung oder Alt, Mann oder Frau: Jeder soll sich daran beteiligen können.
Die bisherigen Bundesmittel für den Zivildienst würden dann in den freiwilligen Sozialdienst fließen. Schröder rechnet mit 35.000 Freiwilligen. Etwa 500 Euro würde es für deren Einsatz im Monat geben.
Das Deutsche Rote Kreuz ist mit 10.200 Stellen der größte Anbieter von Freiwilligendiensten. Schon jetzt sei die Nachfrage höher als das Angebot von Plätzen, heißt es. Über den angekündigten Ausbau freut man sich daher.
"In einer alternden Gesellschaft sollte überlegt werden, ob nicht jeder junge Mensch verpflichtet sein sollte, sich für eine bestimmte Zeit für die Gemeinschaft zu engagieren", sagte indes der Hauptgeschäftsführer des Deutsche Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, dem "Handelsblatt". Das sei auch eine Chance für zusätzliche Sozialkompetenz. Ministerin Schröder lehnt das ab: Ein verpflichtender Sozialdienst wäre "ein riesiger Eingriff in die Freiheit eines jungen Menschen".