Der Wehrersatzdienst wurde von den Befürwortern zu einem Hauptgrund für die Wehrpflicht hochgespielt.
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Ist der Zivildienst tatsächlich für das Sanitäts- und Sozialwesens unersetzlich? Ohne ihn würden Rettungseinsätze verzögert, das freiwillige Ehrenamt in Frage gestellt, das Sozialsystem insgesamt schwer erschüttert und viel teurer. Der jetzige Zivildienst ist jedoch auch nicht billig. Die Innenministerin und ihr Experte rechnen allerdings in gut österreichischer Manier nur jene Kosten, die im ausgewiesenen Budgetposten des Innenressorts anfallen. Alles, was Sozialministerium (Pensionsersatzzeiten) Länder und Gemeinden (Wohnkostenbeihilfen, Familienunterhalt, Verpflegungsabrechnungen) ausgeben, fällt aus ihren Berechnungen heraus. Zusätzlich wird dadurch ein ziemlicher bürokratischer Aufwand auf verschiedensten staatlichen Ebenen nötig. Der Sozialminister hat auch diese Kosten jenseits des ausgewiesenen Zivildienstbudgets einbezogen und kommt damit glaubwürdig zu Mehrkosten von insgesamt drei Millionen Euro. Das ist kein Haus und bringt besser motivierte Freiwillige in den Sanitäts- und Sozialbereich. 1386 Euro 14 Mal im Jahr ergibt für die künftigen freiwilligen Zivis ein Entgelt, das dem Mindestlohn im Kollektivvertrag der Gesundheits- und Sozialberufe entspricht. Hier sieht der Sozialminister als Gewerkschafter offenbar einen positiven Nebeneffekt für den Sozialbereich. Zudem würden auch freiwillige Zivis - dann eben auch Frauen - genauso wie jetzige Zivis in den Job wechseln, wenn er ihnen gefällt. Das kann also zusätzlich positive Effekte auf den Arbeitsmarkt haben, da alle bis zum Pensionsalter den Dienst leisten dürften.
Die Ängste der Stellen sind angesichts der grundlegenden Änderungen verständlich und ernst zu nehmen. Es bräuchte auch einen Übergangszeitraum, der aber mit bereits anerkannten Zivildienern zu überbrücken wäre. Warum wird eine Gefährdung des Ehrenamts befürchtet? Jetzt arbeiten bei den Blaulichtorganisationen doch auch Freiwillige neben Berufssanitätern. Und diese wären später genauso ansprechbar, sich ehrenamtlich zu engagieren wie die aktuellen Zivis.
Wenn die Wehrpflicht wegen des Zivildienstes erhalten werden muss, weil dieser so wertvoll ist, besteht auch kein Grund mehr, ihn um 50 Prozent länger - nämlich neun statt sechs Monate - zu erhalten. Es besteht kein Grund, nur Taschengeld zu bezahlen. Und es fällt jeglicher Grund weg, disziplinäre Verfehlungen wie eine Nichtbefolgung eines Zuweisungsbescheides mit strafrechtlichen Sanktionen zu bedrohen. Dafür reichen Verwaltungsstrafandrohungen vollkommen. Dasselbe gilt übrigens auch für das Heer und die Wehrpflichtigen. Wenn die große unmittelbare Bedrohung weggefallen ist - und das steht außer Streit -, besteht kein Grund mehr für militärrechtliche Strafsanktionen. Es gibt auch keinen Grund mehr für Kasernierung und schlechte Entgelte. Angemessen für diese positive sicherheitspolitische Entwicklung ist ein finanzieller Anreiz des Staates an seine Bürger für die hoheitlichen und sozialen Restaufgaben sowie für Solidaritätsleistungen, die im Wehr- und Zivildienstwesen bestehen. Und dafür sind die Modelle von Norbert Darabos und Rudolf Hundstorfer überraschend positive Angebote.