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Zivildienst nach der Wehrpflicht

Von Peter Steyrer

Gastkommentare

Kurz vor der Wahl trat der Wiener SPÖ-Chef Michael Häupl eine Wehrpflichtdebatte los. Als Ersatz könnte ein verpflichtender Sozialdienst herhalten. Damit bliebe die zwangsweise Indienstnahme junger Menschen durch den Staat nicht nur aufrecht. Sie würde sogar auf Frauen ausgedehnt (offenbar Ausdruck männlichen Zorns über gefühlte Benachteiligung durch die Wehrpflicht).


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Aus einer allgemeinen Dienstpflicht gingen 100.000 Dienstleistende pro Jahr hervor. Diese sind keineswegs mit sozialen, pflegerischen oder Rettungshilfsdiensten zu beschäftigen. Man müsste massenhaft neue Hilfstätigkeiten suchen. Am Ende würden die überzähligen Zivildiener von morgen zu Sinnlostätigkeiten eingeteilt werden. Bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen würden sich die Kosten verzehnfachen.

Bei einer Umstellung auf hauptamtliche Beschäftigte würden sich Bund und Zivildiensteinrichtungen Ausgaben ersparen. Doch die Einsparungen würden notwendige Ausgleichsmaßnahmen auffressen oder gar übertreffen. Die Zivildienstreformkommission hat die Mehrkosten auf durchschnittlich 25 Prozent geschätzt.

Die Mehrheit der Träger hat angegeben, dass Zivildiener bei Wegfall der Wehrpflicht durch hauptamtliche Mitarbeiter ersetzt werden müssten. Zieht man das Ergebnis der für Deutschland durchgeführten Tobiassen-Studie ins Kalkül, die davon ausgeht, dass "zwei Vollzeitarbeitskräfte drei Zivildienstleistende ersetzen" können, so könnte damit die von den Trägern geschätzte Kostensteigerung durch das erhöhte Leistungsniveau professioneller Arbeitskräfte aufgewogen werden.

Die Alternative: ein freiwilliger Zivildienst für junge Männer und Frauen, der 6 bis 12 Monate dauert. Laut Reformkommission ergaben sich für die Träger 1036 Euro je Zivildiener und Monat. Durch die inzwischen erfolgte Erhöhung der Entgelte für Zivildiener ist diese Summe auf rund 1250 Euro pro Monat angestiegen. Das ist angesichts der Löhne im Bereich Sanitätsdienste, Pflege oder Sozialdienste ein mehr als ausreichender finanzieller Anreiz für die Nachfrage nach Zivildienststellen unter jungen Menschen.

Der mehrfache Nutzen: Die Träger hätten einen "sanften" Übergang zu einem etwaigen Vollbeschäftigungssystem. Die jungen Menschen könnten in einer Übergangsphase nach der Ausbildung ins Berufsleben schnuppern. Die Betreuten hätten tatsächlich motivierte Zivis an ihrer Seite. Und es könnte auch bei der Bewältigung der Jugendarbeitslosigkeit helfen.

Die Abschaffung der Wehrpflicht entließe den Freiwilligendienst aus der hoheitlichen Kernaufgabe des Staates. Verwaltung, Organisation und Einsatz der Freiwilligen könnten rationeller und praxisnäher erfolgen. Man könnte vom System des Lastenausgleiches gegenüber dem Präsenzdienst hin zu einem rationelleren von Angebot und Nachfrage übergehen. Das gegenwärtige Zwangsdienstsystem begründet aus volkswirtschaftlicher Sicht Ineffizienzen und führt wegen des Einsatzes der "billigen" Arbeitskraft Zivildiener zu Preisverzerrungen im Bereich der Sozialberufe.

Peter Steyrer war für die Grünen als Mitarbeiter in der Zivildienstreformkommission.